Am Dienstag, 22. August 2023 hat der Berliner Senat den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen erarbeiteten Rahmenplan für den Molkenmarkt beschlossen. Dieser ist der erste Teil der sogenannten „Charta Molkenmarkt“. Festgelegt werden darin die langfristigen städtebaulichen Ziele des Quartiers. Als zweiter Teil wird noch ein Gestaltungshandbuch als Grundlage für konkrete Hochbauwettbewerbe folgen.
Wie aus der bisherigen Verkehrsschneise in Berlins Mitte ein neues Stadtquartier entwickelt werden soll, darüber wurde unter anderem schon im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs samt einem anschließenden Werkstattverfahren kontrovers diskutiert. Die Gegend im unmittelbaren Zentrum Berlins hinter dem Roten Rathaus gehört zu den ältesten Teilen der Stadt. Jahrhundertelang wurden hier immer wieder frühere Bebauungen abgetragen und durch zeitgenössische Stadtformen ersetzt. Insofern verwundert es nicht, dass mit Blick auf das geplante Quartier die seit den 1990er Jahren bestehenden Differenzen zwischen Gegner*innen und Befürworter*innen einer historischen Rekonstruktion eifrig ausgetragen werden. Der Senat hat sich nun offenbar, in gewisser Weise einer SPD-Tradition folgend, vorsichtig für letztere Position entschieden.
Konkret sei nämlich „keine historische Rekonstruktion geplant, sondern eher eine aktuelle Interpretation“, erklärte Senator Christian Gaebler den nun eingeschlagenen Weg auf der Pressekonferenz. Genaueres soll spätestens zum Ende des nächsten Jahres dem Gestaltungshandbuch zu entnehmen sein. “ Vorgesehen ist aber in jedem Fall, dass sich die „Erschließungs- und Freiräume […] an den in Berlin vertrauten Typologien: Boulevard, Straße, Gasse, Platz oder Hof“ orientieren. Ob dieser Ansatz den Befürworter*innen einer historischen Rekonstruktion ausreicht, wird sich zeigen. Diese hatten sich im letzten Jahr zur Stiftung Mitte Berlin zusammengeschlossen. Der Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt war immer wieder eine zu große Nähe zu deren Protagonist*innen vorgeworfen worden.
Mit dem Rahmenplan werden nun auch konkrete Nutzungen für fünf Blöcke festgelegt. Block A in Bezug zum bestehenden Veranstaltungsort Alte Münze ebenso wie der bereits weitestgehend bebaute Block E mit dem landeseigenen Bühnenort Podewil sollen überwiegend kulturell bespielt werden. Block B gegenüber des Nikolaiviertels wird wiederum primär als Ort des Wohnens interpretiert und Block C erhält eine gemischte Programmierung. Noch keine endgültigen Vorstellungen gibt es hingegen für Block D rund um die Klosterruine. Dort ist zunächst eine Phase der Zwischennutzung vorgesehen. Die Gebäudehöhen des Quartiers sollen auf bestehende Nachbarbebauungen abgestimmt werden.
Insgesamt sind auf rund 44.000 Quadratmetern 450 Wohneinheiten vorgesehen, 31.000 Quadratmeter für Gewerbe und soziale Infrastruktur sowie 18.000 Quadratmeter für kulturelle Nutzungen. Weiterhin werden überwiegend landeseigene Wohnungsbaugesellschaften zum Zuge kommen, wobei derzeit die Hälfte der Wohnungen als mietpreisgedämpft gedacht sind. Laut Gaebler ist auch die Vergabe an gemeinwohlorientierte Träger, etwa über Konzeptverfahren geplant. Insbesondere in Block C sind neben öffentlichen auch private Akteure erwünscht. Auch höherpreisige Projekte sind hier zu erwarten, eine Kleinteiligkeit in der Besitzstruktur ist hier explizit erwünscht. Wie überall am Molkenmarkt muss sich allerdings zeigen, ob sich diese Kleinteiligkeit nicht negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Projekte und damit auf die erhoffte künftige Sozialstruktur des Molkenmarktes auswirkt. Diese Kritik war immer wieder von den Gegner*innen einer allzu historischen Rekonstruktion vorgebracht worden. Diese hatten unter anderem auch eine Fortführung des letztlich abgebrochenen Werkstattverfahrens gefordert.
Strukturelle Fragen bleiben außerdem auch bezüglich des erneut formulierten Zieles, ein „klimaresilientes und hitzerobustes Stadtquartier“ zu errichten. Erreicht werden soll dies unter anderem durch begrünte Dachflächen. Nach größeren Baumbeständen, wie sie der im Wettbewerb mit einem von zwei ersten Preisen ausgezeichneten Entwurf von OS arkitekter und cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt vorsah, klingt dies allerdings nicht. Gerade verschattende Bäume können aber entscheidend zur Klimaresilienz eines Quartiers beitragen. Zumindest ist aber in Block A ein kleiner Stadtpark im Hof angedacht.
Nach der Erarbeitung und Verabschiedung des bereits erwähnten Gestaltungshandbuches bis spätestens Ende 2024, sollen die Realisierungswettbewerbe folgen. Innerhalb der Legislaturperiode sei laut Gaebler bereits mit dem Beginn einiger Baumaßnahmen zu rechnen. Der als Vorbereitung notwendige Straßenbau soll schon bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. (sla)
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Gorki | 28.08.2023 15:16 UhrLernen
Da kann man nur hoffen, dass Berlin aus dem Rasterkistendisaster in der Europacity lernt, und wenigstens ein paar optisch ansprechende Gebäude hinbekommt.
Allein die Notwendigkeit, den Architekt*INNEN ein Buch zur Gestaltung der Haeuser'INNEN (sorry, Haeuser) an die Hand zu geben, zeigt doch, wie sehr man mittlerweile der Zunft vertraut, auch nur ein annährend gut gestaltetes Gebäude zu entwerfen. Müssen alle Architekten am Stadtrand von Berlin ihr ästetisches Wissen abgeben, wenn man dort die immer gleichen Kisten entwerfen will? Es muss wieder schöner gebaut werden.