Die 12. Architekturbiennale in Venedig wird anders. Sie wird vor allem eines nicht mehr sein: eine reine Ausstellung. Das Konzept für die Architekturschau, das Biennale-Direktor Paolo Baratta seit dem 3. Mai 2010 gemeinsam mit Kuratorin und Pritzker-Preisträgerin Kazujo Sejima an verschiedenen Orten in Europa und den USA vorstellt (heute in Berlin, Baratta war allerdings nur per Live-Stream-Zuschaltung dabei), will den Besucher stärker einbinden in den Austausch über Architektur: People meet in architecture – Menschen treffen sich in Architektur ist das Motto (BauNetz-Meldung vom November 2009). Dass sie sich dort nicht nur treffen, sondern auch sprechen, zum Beispiel über Architektur, dafür sorgen diverse Zusatzveranstaltungen, die Kuratorin und Direktor initiiert haben.
So wird es Architecture Saturdays geben, an denen sich alle ehemaligen Biennale-Kuratoren der Diskussion stellen (BauNetz-Meldung vom Januar 2010). Auch das Programm Universities meet in architeture gehört dazu. Die Idee ist dabei, Studentengruppen die Möglichkeit zu geben, den Biennale-Besuch mit Seminaren vorzubereiten und als Teil des Studiums anzuerkennen. Den an diesem Programm teilnehmenden Studenten werden zudem besondere Vergünstigungen gewährt. Der bisher allein auf die drei Eröffnungstage beschränkte Diskurs über Architektur wird so über die gesamte Laufzeit der Biennale ausgedehnt. Die Biennale hat bereits mit über 300 Hochschulen Kontakt aufgenommen.
Worauf wir jedoch vor allem gewartet haben, war die Bekanntgabe der Teilnehmer der Hauptausstellung für die Biennale 2010. Die Liste umfasst rund 45 Teams, Architekturbüros und Einzelpersonen, die jeweils einen eigenen Ausstellungsraum im Arsenale erhalten werden und dort, so betont es Sejima, „ihr eigener Kurator “ sein sollen.
Künstler sind darunter, Ingenieure, Filmemacher, Landschaftsgestalter und Architekten – nur keine „Starchitects“: Geladen sind unter anderem Wim Wenders, Cecil Balmond von Arup, das japanische Atelier Bow Wow sowie der Chinese Wang Shu, Olafur Eliasson, Thomas Demand, die Amerikaner Aranda/Lasch, raumlabor, der Ire Tom de Paor, die Spanier Selgas Cano, Cedric Price, Christian Kerez, Transsolar Klimaengineering, die Südafrikaner Noero Wolff Architects und – als einzige aus der Reihe der „Üblichen Verdächtigen“ Rem Koolhaas und Toyo Ito.
Was soll uns diese Liste sagen? Zunächst wissen wir nun, was wir nicht sehen werden in der von Sejima kuratierten Austellung: schöne Häuser für reiche Menschen (den „Catwalk of Starchitecture“ (sic) richten dieses Jahr die Dänen aus). Anstatt schöne Bilder zu produzieren, versuchen die von Sejima Nominierten vielmehr, unsere Wahrnehmung zu schärfen: für die Räume, in denen wir leben, für die Räume dazwischen, für die Phänomene der Natur und ihre Geometrie, für die Gesetze der Konstruktion und die Ausreizung ihrer Grenzen, für das Unerwartete... Dafür suchen sie Lösungen, die keine Erwartungshaltung bedienen, sodern über das Erwartete hinaus gehen. Viele von ihnen arbeiten an Schnittstellen zwischen Kunst, Architektur, Ingenieurwesen, Städtebau und „Raumforschung“ im weitesten Sinne.
So wird Christian Kerez in der Ausstellung zwei Modelle (im Maßstab 1:10 und 1:30) zu seinen „Offenen Konstruktionen“ (open structures) zeigen. Wang Shu stellt gemeinsam mit Kollegen eine temporäre Bambuskonstruktion auf, die innerhalb eines Tages von 20 Personen neu montiert werden kann. Dank Transsolar Klimaengineering und Tetsuo Kondo werden wir im Arsenale durch eine echte Wolke gehen. Studio Mumbai bringen ihr gesamtes Atelier mit, um zu zeigen, unter welchen Bedingungen Architektur geplant wird und sich der Logik der Natur anpasst. Cibic & Partners bedienen sich in ihren Microrealities zwar den gleichen Elementen, die man beim normalen Städtebau benutzt, fokussieren diese Szenarien jedoch ganz auf das Thema „Interaktion“. Der Landschaftsarchitekt Piet Oudolf wird auf dem Arsenale-Gelände einen Garten zum „Treffen und Träumen“ schaffen. Und mit ihren kleinen Objekten wollen Atelier Bow Wow die räumliche Atmosphäre von Tokio simulieren.
Nach ihrer Designierung zur Kuratorin hatte Kazujo Sejima betont: „In der 12. Architekturbiennale wird es um Architektur gehen.“ Nach der heutigen Vorstellung der Teilnehmer kann man dem wohl hinzufügen: aber nicht unbedingt um Gebäude.
(Cordula Vielhauer)
Zum Thema:
www.labiennale.org
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Bobkat | 06.05.2010 09:21 UhrB12
Hmmm Architektur ohne Architekten. Gut idea!.. Vieleicht gibts plätze bei der Kunstbiennale??