Werden Kühe eigentlich seekrank? Den Bewohnern der schwimmenden Molkerei im Hafen von Rotterdam soll ein leichter Wellengang nichts ausmachen, sagt der betreuende Milchbauer
Peter van Wingerden. Seine Farm liegt in einem Becken des Merve-Vierhaven (M4H), einem Teil des Stadthafens von Rotterdam, der in den letzten Jahren von einem ehemaligen Industriegebiet zu einem Wohngebiet mit kleinen Unternehmen der Kreativwirtschaft entwickelt wurde. Die schwimmende Farm wurde von
Klaas van der Molen und
Wesley Leeman und ihrem Büro
Goldsmith (Rotterdam) entworfen. Auftraggeber des Pilotprojekts ist die
Floating Farm Holding, die von Peter und Minke van Wingerden initiiert wurde und die im Mai dieses Jahres das rund drei Millionen Euro teure Projekt eröffnen konnte.
Das Vorhaben, das die durch die Verlagerung des Hafens Richtung Westen frei werdende Flächen für eine wohnortnahe Lebensmittelproudktion nutzt, besteht aus einer dreigeschossigen Stahlkonstruktion, die auf drei Pontons schwimmt. Auf der unteren Ebene sind die Regen- und Abwasserrecyclinganlage sowie die Tanks für Aufbewahrung der Milch und das Futtersilo positioniert. In der darüber liegenden Molkerei wird die Milch pasteurisiert und zum Teil weiterverarbeitet. Und ganz oben leben bis zu 40 Kühe, die von einem Melkroboter betreut werden. Bis zu 800 Liter Milch lassen sich bei voller Auslastung täglich auf der Farm produzieren. Sonnenkollektoren auf dem Dach versorgen die Anlage mit bis zu 40 Prozent der benötigten Energie. Auch das Futter der Kühe stammt teilweise aus der Umgebung, so findet zum Beispiel das gemähte Gras das nahen Stadions von Feyenoord Verwendung.
Wenn es den Kühen auf dem Oberdeck zu langweilig wird, gibt es zusätzlich die Möglichkeit für einen kleinen Landgang. Direkt neben der Anlage gibt es eine Wildblumenwiese, die ein natürliches Grasen erlaubt und die über einen Steg erreicht werden kann. Hinsichtlich des Wohlergehens der Tiere wurden alle üblichen landwirtschaftlichen Vorgaben eingehalten. Um den exemplarischen Charakter hervorzuheben, gehört auch eine Besucherroute entlang der Peripherie der Anlage zum Programm.
Ökologischer Hintergrund des Projekts ist das Ziel, möglichst viele Lebensmittel dort zu produzieren, wo die Verbraucher leben. Zudem wird mit diesem Konzept Ackerfläche eingespart. Eine Zukunft mit schwimmenden Milchfarmen auf dem Meer ist in Anbetracht der Herausforderung einer nachhaltigen Herstellung von Lebensmitteln vorstellbar. Doch wie geht es dabei den Tieren? Laut Peter van Wingerden werden Kühe nicht seekrank: sie stünden ja auf vier Beinen, das helfe sehr.
(eb)
Fotos: Ruben Dario Kleimeer
Zum Thema:
www.floatingfarm.nlMehr zur Transformation des Rotterdamer Hafens auch in unserer Baunetzwoche#518 Dutch Updates (PDF)
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