Man sieht dem Schulkomplex Louis de Vion im französischen Montévrain nahe Paris auf den ersten Blick nicht an, dass er eine öffentliche Schule ist. Der Neubau, von Vincent Parreira Atelier Architecture aus Paris gestaltet, ruht auf einem umlaufenden Betonsockel und gleicht daher eher einer – immerhin freundlichen – Festung mit aufragenden Zinnen.
Ebenso wie eine Festung eine kleine Stadt in der Stadt ist, erzeugt auch der neue Schulkomplex den Eindruck eines Mikrokosmos. Diese Lesart passt zur Entwurfsgenese und zum städtebaulichen Umfeld des Projekts: Die für 500 Kinder ausgelegte Schule ist Teil von Marne-la-Vallee und gehört einer Kommune an, die in den letzten Jahren enorm gewachsen ist. Das zwischen Disneyland, der Val d’Europe Shopping Mall und der Bundesstraße 344 gelegene Grundstück war zum Zeitpunkt der Wettbewerbsauslobung für die Schule von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben, lag also quasi auf der „grünen Wiese“. Dass man hier mit dem Neubau einen Ort erst einmal schaffen musste, ist daher nachvollziehbar. Ähnliche Ansätze wurden auch bei anderen Schulbauprojekten in der Region verfolgt, etwa bei der Internationalen Oberschule im 20 Kilometer entfernten Noisy-le-Grand.
Heute ist der Schulkomplex aus Kindergarten, Grundschule, Unterkünften für das Lehrpersonal und einem Freizeitzentrum auch von zahlreichen Wohnungsbauten umgeben. Die Kommune hat mittlerweile 10.000 Einwohner. Das Freizeitzentrum soll in den schulfreien Zeiten alternative Nutzungsmöglichkeiten bieten und ist zwischen der Grundschule und dem Kindergarten angeordnet, ebenso wie die Speisesäle. Sie bilden somit eine Art Übergangsbereich zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen. Die Eingänge sind als solche leicht zu erkennende halbrunde Tore. Humorvoll ist hier das Element der französischen Flagge umgesetzt.
Gestalterisch ebenfalls ungewöhnlich für einen Schulbau ist die Wahl des Maschrabiyya-Motivs für die Fassade. Diese Holzgitter werden etwa in der traditionellen islamischen Architektur verwendet, um Räume zu belüften und gleichzeitig die direkte Sonneneinstrahlung zu filtern. Die großen, hellen Betonfassaden des Sockels nehmen das Gittermotiv auf. Im Bereich der Grundschule ist diese Struktur durchlässiger gestaltet und erlaubt Sichtbeziehungen zur Stadt und zum Spielbereich, während der Kindergarten, um einen Hof organisiert, introvertierter angelegt ist. Auch wenn die dekorativen Holzelemente aufgrund der anderen klimatischen Bedingungen vor Glasfenstern und geschlossenen Fassaden sitzen und damit nur eingeschränkt ihre klassische Funktion übernehmen können, erzeugen sie doch eine starke und gleichzeitig angenehme Präsenz. (kh)
Fotos: Luc Boegly
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