Die französische Gemeinde Saint-Gilles liegt im Süden Frankreichs, präziser gesagt in Okzitanien, unweit des Nationalparks Camargue, irgendwo zwischen Arles und Nîmes. Klingt verschlafen und nach drögen Sommertagen? Vielleicht, aber schlussendlich hielt dies das 13.000 Einwohner zählende Städtchen nicht davon ab, sich der längst überfälligen Erweiterung ihrer sanierungsbedürftigen Grundschule zu widmen. Für den Entwurf, dessen Realisierung 2019 fertiggestellt wurde, zeichnet das französische Büro NAS architecture aus Montpellier verantwortlich.
Das zweigeschossige Bestandsgebäude der Schule liegt in den südlichen Ausläufern von Saint-Gilles zwischen solitär stehenden Einfamilienhäusern mit Gartengrundstück. In den 1950er Jahren wurde hier ein öffentliches Schwimmbad errichtet, das 1979 zu einem Kindergarten und später zu einer Grundschule umgenutzt wurde. Die ursprüngliche Bestimmung zeigt sich in der besonderen Ornamentik und Formensprache des Gebäudes, so sind dessen Ecken beispielsweise als große Rundungen gestaltet und die straßenseitige Fassade wird von vier repräsentativ anmutenden Pilastern gegliedert.
Die Schule für 95 Schüler und Schülerinnen verfügt nach der Erweiterung auf 770 Quadratmetern Bruttogrundfläche nun über vier Klassenzimmer, einen Schlafsaal, eine Kantine, Aufenthaltsbereiche und einen gemeinschaftlichen Innenhof. Um die vorhandenen Außenflächen, die als Spiel- und Pausenhof genutzt werden, nicht überbauen zu müssen, aber auch das Tragwerk des Bestandsgebäudes nicht zu überlasten, entschieden sich NAS für eine Holzstruktur, die teilweise die bestehenden Dächer mitnutzt. Laut Architekten war das Prinzip eines Palimpsests – ein antikes, immer wieder neu genutztes Schriftstück, das die verschiedenen Ebenen sichtbar lässt – motivgebend für den Entwurf, in dem sich unterschiedliche Konstruktionssysteme, Baustoffe und Texturen überlagern.
Die Bauzeit und somit die Störung des Schulbetriebs wurde durch eine Vorfertigung der gesamten Holzmodule in ausgelagerten Werkstätten möglichst kurz gehalten. Die dominante Holzstruktur wird um cremefarbene Aluminiumpaneele ergänzt, die in unterschiedlicher Höhe als Jalousien in den verglasten Zwischenräumen der Holzträger angebracht sind. Als ein „Spiel der Porosität“ bezeichnen die Architekten den Charakter der rigiden Fassade, die das Gebäude in der Morgendämmerung durch den hohen Glasanteil transparent macht, sein Innenleben jedoch tagsüber mithilfe reflektierender Paneele von der Außenwelt abschirmt. (kg)
Fotos: NAS architecture
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auch ein | 10.06.2020 14:58 Uhrarchitekt
also die mischung von bestand und neubau ist hinsichtlich volumen, material, form etc etc ganz eigentümlich