Der Wüsten- und Savannenstaat Niger hat eine der höchsten Geburtenraten weltweit. Entsprechend steht er vor enormen Herausforderungen, jungen Menschen über die Grundschule hinaus eine Schulbildung zu ermöglichen. In diesem Kontext steht auch die Schulerweiterung samt Renovierung und technischer Modernisierung der Bestandsgebäude, die die Organisation Article 25 Anfang 2022 in der Hauptstadt Niamey fertiggestellt hat.
Sie befindet sich im Stadtviertel Dar Es Salam und betrifft das Collège Amadou Hampaté Bâ, eine private Schule, die subventionierte Bildung für Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen anbietet. Die Architektinnen und Architekten von Article 25 planten fünf neue Klassenzimmerblöcke sowie Verwaltungseinrichtungen, eine Versammlungshalle, eine Bibliothek, Toiletten- und Sanitärblöcke. Die Neubauten ermöglichen künftig die Aufnahme von bis zu 1.200 Schüler*innen vom Grundschulalter bis zum höheren Schulabschluss.
Der Entwurf der Neubauten basiert auf lokalen Materialien und Bautechniken. Das rote Lateritgestein stammt aus einem Steinbruch zehn Kilometer außerhalb von Niamey, wo es von Hand ausgegraben und geschnitten wurde. Laterit ist ein leicht abbaubares, weiches Oberflächengestein, das beim Kontakt mit Luft aushärtet und sich durch seine physikalischen Eigenschaften als thermische Masse und atmungsaktives Material zum Bauen in der Region eignet.
Die Konstruktionsprinzipien ermöglichen eine passive Belüftung, um die Räume bei täglich um die 40 Grad Celsius kühl zu halten und Klimaanlagen zu reduzieren. Das Doppeldachsystem der Klassenzimmer orientiert sich an den Entwürfen von Francis Kéré: Gewölbe aus Ziegeln bilden die Decke, darüber liegt ein leichtes Metalldach. Durch Dachwinkel und Gebäudeausrichtung zirkuliert die Luft durch den Dachhohlraum und reduziert die Temperatur in den darunter liegenden Räumen – selbst bei Belegung mit bis zu 40 Schüler*innen – um 7-8 Grad Celsius.
Ein wichtiger Aspekt des Projekts ist die Schulung heimischer Maurer in der Bearbeitung und Verwendung von Laterit, das – obwohl klimafreundliche und billige Ressource – bislang noch wenig genutzt wird. Darüber hinaus initiierten Article 25 ein Vor-Ort-Trainingsprogramm für junge Mädchen, die sich für die Baubranche interessieren.
Die in London ansässige Organisation Article 25 initiiert weltweit humanitäre Architekturprojekte im Schul-, Klinik- und Wohnungsbau. Ihr Name bezieht sich auf Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der das Recht auf einen grundlegenden Lebensstandard formuliert und angemessene und würdige Unterkunft mit einschließt. (uav)
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Kommentare
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peter | 30.06.2022 14:06 Uhr
den vorrednern
@Friedrich Luft: messerscharf beobachtet!
@50667: ob das etwas mit dem deutschen regelungswahn zu tun hat? mir ist keine regel bekannt, die derartige bauformen in deutschland grundsätzlich verbieten würden. sicher, es gibt anforderungen an die wärmedämmung, den schallschutz, brandschutz usw. das ist einsereits der hiesigen witterung und unserem geldbeutel geschuldet, andererseits aber verbietet uns niemand, eine architektonische sprache in der art der hier gezeigten umzusetzen.
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50667 | 29.06.2022 19:19 Uhr
Gutes Auge für Details...
...hat der Friederich.
Das Projekt ist sehr gelungen und zukunftsweisend.
Auch wenn die Angemessenheit hier sicherlich auch aus der Not vor Ort entsteht, zeigt uns dieses Projekt das jenseits vom deutschen Regelungswahn auch bei uns im Schulbau sehr angemessen gebaut werden könnte.
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peter | 30.06.2022 14:06 Uhrden vorrednern
@Friedrich Luft:
messerscharf beobachtet!
@50667:
ob das etwas mit dem deutschen regelungswahn zu tun hat? mir ist keine regel bekannt, die derartige bauformen in deutschland grundsätzlich verbieten würden. sicher, es gibt anforderungen an die wärmedämmung, den schallschutz, brandschutz usw. das ist einsereits der hiesigen witterung und unserem geldbeutel geschuldet, andererseits aber verbietet uns niemand, eine architektonische sprache in der art der hier gezeigten umzusetzen.