Noch besteht die Erich-Kästner-Schule in Darmstadt Kranichstein aus vier Schulgebäuden und einer Sporthalle. Für die bis 2019 geplante Erweiterung des Grundschulensembles muss nun ein Altbau mit Klassenzimmern auf dem Gelände abgerissen werden. Doch die darin befindlichen sechs Klassenräume können nicht einfach ein Schuljahr lang bis zur Fertigstellung der Erweiterung wegfallen. Deshalb wurde das Darmstädter Büro prosa Architektur + Stadtplanung beauftragt, bei laufendem Betrieb schnell Ersatz zu schaffen. Weil das Gelände im Nordosten von Darmstadt nicht besonders groß ist, aber auch weil man keine weiteren Flächen versiegeln wollte, geriet das eingeschossige Bestandgebäude 4 ins Visier.
Auf dem Dach des Stahlbetonbaus aus den 1970er Jahren mit der typischen Waschbetonfassade, planten die Architekten ein komplett neues Geschoss mit acht Klassenräumen. Beim Grundrissentwurf waren sie mit einem für diese Art der Bauaufgabe typischen Konflikt konfrontiert: Einerseits mussten sie die Lasten des Aufbaus auf den vorhandenen Wänden des Erdgeschosses abtragen, andererseits wollten sie den alten Grundriss mit dem langen Mittelgang nicht nochmal obendrauf bauen, sondern die Aufenthaltqualität vor allem im Flur verbessern. Schließlich musste das Obergeschoss unabhängig erschlossen werden.
Die Grundrissfrage lösten sie, indem sie alle Klassenräume an die Ost- und Westfassade rückten und die Nebenräume in die Mitte, so dass der Flur breiter und zoniert ist, über Glastrennwände belichtet wird und so zum zusätzlichen Lern- und Aufenthaltsort wird. Die Erschließungs- und die damit verbundene Brandschutzfrage beantworten zwei außenliegende Treppen, eine interne Verknüpfung von je vier Klassenräumen zu einem Lerncluster und die Möglichkeit über Bypasstüren in den anderen Bereich zu flüchten.
Bei der Statikfrage half das Material Holz. Als „Fundament“ des Obergeschosses legten sie auf das Bestandsdach einen Trägerrost zur Lastverteilung. Darüber folgte eine vorgefertigte Wandkonstruktion aus tragenden Holzrahmenbauelementen. Die Spannweiten von bis zu acht Metern sind als klassische Balkendecken ausgeführt. Darunter sind, ebenfalls aus Holz konstruierte, schallabsorbierende Lamellensysteme eingebracht. Dennoch mussten die Fundamente des Bestandsbaus ertüchtigt werden.
Schließlich das Zeitproblem. Vorgefertige Holzelemente sind die Antwort, wenn ein Neubau möglichst schnell und geräuschfrei aufgestellt werden soll. Doch in diesem Fall haben die langen Lieferzeiten und die ausgelastete Prüfstatik das Vorhaben verzögert. Baubeginn war im Oktober 2017, im Juli 2018 wurde das Projekt übergeben. Die Gesamtkosten für 732 Quadratmeter neue Nutzfläche im Obergeschoss liegen bei rund 2,7 Millionen Euro. Wann die Fassade des Erdgeschosses saniert wird, ist noch offen. Der Entwurf des Obergeschosses hat das aber auf jeden Fall mitbedacht. (fm)
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