Coupvray ist formal gesehen eine kleine Gemeinde östlich von Paris, höchstens vielleicht bekannt als Geburtsort von Louis Braille, dem Erfinder des Punktschriftsystems. Die Dichte der Metropole löst sich hier langsam auf, und die die ländlicheren Teile der Île-de-France werden sichtbar – räumlich dominiert von kleineren Siedlungskernen, gesäumt von Wäldern und Feldern, aber auch Autobahnen und größeren Gewerbearealen. Nicht viel los, könnte man meinen, wäre da nicht wenige Kilometer südlich von Coupvray ein Freizeitpark namens Disneyland Paris, der teilweise sogar auf dem Gemeindegebiet liegt. Das erklärt auch den Plan der Gemeinde, auf halbem Weg zwischen altem Stadtzentrum und der Ringstraße um Disneyland ein neues Entwicklungsgebiet voranzutreiben. Als ein erster Baustein konnten archi5 dort kürzlich eine Grundschule mit Kindergarten fertigstellen.
Das Büro mit Sitz im Pariser Vorort Montreuil zeichnet einen horizontalen Baukörper mit geschwungener Dachsilhouette, der sich im Grundriss schneckenförmig um einen Hof wickelt. Die Architekt*innen geben an, mit dieser Form die Lage der Schule an der Grenze zwischen Stadt und Land aufgreifen zu wollen. Tatsächlich befindet sich der Neubau trotz seiner mittigen Lage im Gemeindegebiet am nördlichen Rand der neuen Quartiere. Diese sind in Abkehr vom alten Dorfzentrum Richtung Disneyland orientiert. Der zweigeschossige Trakt an der Straße definiert die urbane Seite, während rückwärtig die niedrigeren Gebäudeteile den Übergang in die Felder herstellen. In Planung befinden sich momentan rund 2.500 Wohneinheiten sowie ein Gewerbegebiet, Bürostandorte und Hotels, womit sich das derzeit noch pastorale Umfeld der Schule bald grundlegend ändern dürfte. Die niedrige Dichte der Anlage muss also auch vor diesem Hintergrund gesehen werden.
Die Dialektik des Übergangs haben die Architekt*innen auf den Grundriss der Anlage übertragen. Der Kindergarten befindet sich westlich und südlich im eingeschossigen Teil mit Blick auf den Innenhof. Dessen andere Seiten werden von der Schulkantine und dem Hort definiert. Die älteren Kinder finden ihren Platz dann in der zweigeschossigen Grundschule im eigenständigen östlichen Trakt. Als Gelenk dazwischen dient ein doppelgeschossiger Eingangsbereich an einer der Gebäudeecken. Der dortige Vorplatz dürfte mit der geplanten gegenüberliegenden Bebauung dann schon bald deutlich urbaner wirken. Die Außenraumgestaltung stammt von Atelier Roberta aus Paris.
Das Gebäude mit Schleppdach und Backsteinfassade gibt sich auf den ersten Blick eher verschlossen, offenbart aber im Inneren eine gewisse Porosität. Es gibt Durchblicke und überdachte Außenbereiche, so dass trotz einer eher konservativen Raumanordnung Komplexität entsteht. Im Kontrast zur mineralischen Fassade sind die Innenräume außerdem größtenteils als hölzerne Konstruktion ausgeführt. Insgesamt entstand eine Geschossfläche von 4.250 Quadratmetern bei Nettobaukosten von rund 11,5 Millionen Euro. (sb)
Fotos: Sergio Grazia
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