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30.10.2015

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Warten in der Steiermark

Schubhaftzentrum von Sue Architekten


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Es ist sicher keine einfache Bauaufgabe, und für ein Architekturbüro bei weitem auch keine alltägliche. Das Wiener Büro Sue Architekten hat im obersteirischen Vordernberg ein Schubhaftzentrum (in Deutschland: Abschiebehaftzentrum) gebaut. Hier werden Menschen untergebracht, die sich illegal in Österreich aufhalten und auf ihre Abschiebung warten – für die Architektur eine gesellschaftliche wie politische Herausforderung also. „Es geht um Personen, die vom Staat angehalten werden, sich aber nichts zu Schulden kommen haben lassen, außer, dass sie keinen Aufenthaltstitel für die Europäische Union haben“, erklären die Architekten. 2014 fertiggestellt, fasst der Bau 200 Personen – 100 neue Arbeitsplätze für die kleine Gemeinde Vordernberg sind hier entstanden.

„Schubhäftlinge sind keine Strafhäftlinge“, lautete der zentrale Entwurfsgedanke von Sue Architekten, die 2010 den offenen Wettbewerb für sich entscheiden konnten. Dass sich die gesellschaftlichen Fragen nicht allein über die Architektur lösen lassen, ist Michael Anhammer und seinem Team bewusst. „Bei den harten Antworten, die die Europäische Union momentan gibt, erachten wir es als für besonders wichtig, dass den betroffenen Personen, den ‚Illegalen‘, in der Zeit, in denen der Staat für sie die Verantwortung übernimmt, ein Aufenthalt ermöglicht wird, der ihnen ihre Würde lässt“, sagt Anhammer. „Alle Assoziationen von Strafe oder Entwürdigung sind hier fehl am Platz.“

Dass sich die Funktion des Vordernberger Schubhaftzentrums nicht von außen ablesen lässt, ist gewollt: Jede Analogie zu einem Gefängnis sollte vermieden werden. Das war vor allem möglich, da der Nutzer dem Vorschlag der Architekten zustimmte, auf die Vergitterung der Glasflächen zu verzichten. „Großzügige, ungleichmäßig verteilte, raumhohe geölte Lärchenholzfensterbänder bestimmen die Fassade der Wohnbereiche“, erläutern die Architekten. „Raumhohe 10 Zentimeter breite Lüftungsflügel verhindern stattdessen ein unkontrolliertes Aussteigen aus den Zimmern.“

Den 10.000 Quadratmeter großen Neubau gliedern Sue Architekten in einen langgestreckten Verwaltungstrakt, aus dem sich der kammartig gegliederte Wohntrakt entwickelt. Die Höfe dieser zweigeschossigen Wohnbereiche öffnen sich zu Bach und Berg. Der Schubhaftteil mit seiner fächerartigen Struktur bildet für die neun Wohngruppen jeweils eine eigene Hofsituation. Anders als in herkömmlichen Gefängnistypologien ist der Freiraum somit immer einer Abteilung mit etwa 20 Personen zugehörig und einsichtig. Jede Wohngruppe hat neben dem Wohnzimmer und der Küche noch mehrere zusätzliche Aufenthaltsräume, die ermöglichen, einander aus dem Weg zu gehen.

„Die Materialien im Inneren entsprechen einer hochwertigen Herberge“, erläutert Michael Anhammer. Anstatt Materialien zu wählen, die sich nicht zerstören lassen, verwenden Sue Architekten solche, die auch bei starker Nutzung gut altern können. Seekiefer für die Wandverkleidungen und ein strapazierfähiger Vinylteppichboden sollen eine Wohnhaptik in die Räume bringen.

In Vordernberg finden die Prozesse rund um die Verhandlung des Aufenthaltsstatus nicht hinter verschlossenen Zimmern statt, sie bleiben sichtbar. „Wir meinen, dass Menschen anders miteinander umgehen, wenn Dinge nicht im Geheimen passieren“, sagen Sue Architekten. „Unsere Architektur kann allerdings weder die große Frage beantworten, wie Europa mit Migration und Flüchtlingen umgeht noch eine Lösung anbieten, wie Menschen ohne Aufenthaltstitel in Österreich eine Zukunft haben können.“

Paradox bleibt, dass das Schubhaftzentrum seit seiner Eröffnung mit dem Problem einer zu niedrigen Auslastung kämpft: Im Juni waren nur zwei Schubhäftlinge in Vordernberg. Ob auch Flüchtlinge hier untergebracht werden dürfen, die gemäß der Dublin-Verordnung in das EU-Land ihrer ersten Einreise zurückgebracht werden sollen, muss der Verfassungsgerichtshof noch entscheiden. (jk)

Fotos: Hertha Hurnaus


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