Der Schlosskomplex im estnischen Põltsamaa (deutsch-baltisch: Oberpahlen) geht auf eine Ordensburg aus dem 13. Jahrhunderts zurück und diente im 16. Jahrhundert zeitweise als Königsresidenz. Die Anlage des Deutschen Ordens (auch Deutschherrenorden oder Deutschritterorden genannt) wurde über die Jahrhunderte mehrfach um- und ausgebaut, bei einem Brand infolge eines Luftangriffs im Zweiten Weltkrieg jedoch zerstört. Seit den 1970er Jahren erfolgten mehrere Teilrestaurierungen.
Das jüngste Konservierungsprojekt kam 2023 zum Abschluss und umfasste die Wiederinbetriebnahme zweier Gebäuderuinen sowie die Neugestaltung des Schlosshofes. Das Projekt erhielt noch im Jahr seiner Fertigstellung den Preis der estnischen Kulturstiftung im Bereich Architektur und eine Auszeichnung der estnischen Denkmalschutzbehörde als „Act of the Year“.
Geplant wurde die Baumaßnahme, die einen circa 8.100 Quadratmeter großen Bereich des 20.969 Quadratmeter großen Burgkomplexes betraf, von den beiden in Tallinn ansässigen Büros studio ARGUS und LUMIA. Ihre Aufgabe bestand darin, Teile des Bestands in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege an eine neue Nutzung als Museum anzupassen. Als Bauherr trat das Wasserversorgungsunternehmen Põltsamaa Vallavara OÜ auf, das seinen Sitz ebenfalls in einem Gebäude auf dem Schlossgelände hat. Die Baukosten lagen laut Angaben der Architekt*innen bei rund 4,6 Millionen Euro.
Im Mittelpunkt des Projekts stand unter anderem das verfallene Klostergebäude aus dem 13. Jahrhundert. Die übrig gebliebenen historischen Mauern wurden als Ruine belassen, jedoch sorgfältig konserviert und neu überdacht. Das von Holzbalken getragene Dach aus gefalztem Metall hebt sich deutlich von der originalen Bausubstanz des Baudenkmals ab. Der siebengeschossige Turm erhielt einen Aufsatz in Form einer Stahlkuppel mit Aussichtsplattform, deren Kubatur der ursprünglichen Turmspitze nachempfunden wurde. Die Plattform wird durch eine Betontreppe mit einem Geländer aus Lochmetall erschlossen, die verschiedene Blickperspektiven auf den ehemaligen Klosterbau bietet.
Wiederaufgebaut wurde das fast völlig zerstörte Torhaus. Es erhielt ebenfalls ein Metalldach und nimmt das Besucherzentrum mit Museum auf. Auf 800 Quadratmetern finden sich fünf Ausstellungsräume, ein Saal für kleinere Veranstaltungen, ein Informationszentrum mit Ticketschalter, ein Shop, Toiletten, Garderobe und ein Büro. Auch der Innenhof wurde neugestaltet und die hier in einer Ecke befindliche Freilichtbühne mit einer Verkleidung aus profilierten Zinkblechen und gräulichem Holz versehen. Kreisförmige grüne Inseln im Innenhof lockern als spielerische Elemente das streng strukturierte Erscheinungsbild der Anlage auf. (da)
Fotos: Tõnu Tunnel
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
geniusloci | 20.02.2024 18:38 UhrSehr schön.
So kann man mit wenigen Eingriffen den Bestand würdevoll erhalten und vor allem wiederbeleben. Die Architektur drängt nicht in den Vordergrund, sondern überlässt der alten Substanz die Bühne. Bravo!