Stolze 300 Jahre hat sie bereits auf dem Buckel, die Huchler-Scheune in Waiblingen. Ein Fachwerkbau mit alten Holzbalken und historischem Flaschenzug, benannt nach seinen ehemaligen Eigentümern. Die längste Zeit davon diente die inzwischen denkmalgeschützte Scheune als Wirtschafts- und Lagergebäude, aufgrund des maroden Zustands stand sie zuletzt aber leer. Zwei Jahre dauerte der Umbau von COAST Architekten, die auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten für ihr Stuttgarter Büro auf die alte Scheune gestoßen waren.
Das Motiv der Scheune im Neubau, als Wohn- oder Mehrzweckbau, als Schule oder Gemeindehaus, gibt es häufig. Seltener und deutlich aufwendiger dagegen ist es, eine historische, zumal unter Denkmalschutz stehende Scheune umzubauen. Um die Huchler-Scheune in ein modernes Wohn- und Bürogebäude zu verwandeln, galt es also zunächst, das Bauwerk zu sanieren: Es gab Feuchteschäden am Holztragwerk, teilweise einsturzgefährdete Giebel und Decken. Zudem hatte sich der sechsgeschossige Bestand einen halben Meter nach Osten, in Richtung der Waiblinger Stadtmauer – sie bildet mit dem historischen Wehrgang die nördliche Außenwand der Scheune – geneigt.
Neue Fundamente mussten her, der Naturboden im Erdgeschoss teilweise drei Meter tief abgetragen werden. Die frischen Bruchsteinwände im Erdgeschoss, das nun anderthalb Meter tiefer liegt ist, zeugen davon. Zudem stützen Stahlträger das alte, ganz traditionell mit Holznägeln und Zapfen um etliche Balken erneuerte Tragwerk. In einem speziellen Trockeneisverfahren, ähnlich wie beim Sandstrahlen, wurden die Balken gereinigt und anschließend – bis auf das Tragwerk der Bäder – unbehandelt belassen.
Auch der zum Haus gehörende Abschnitt der Stadtmauer wurde denkmalgerecht saniert. Stadtmauer, das hieß früher: am Rand der Stadt. Doch Waiblingen ist längst kein Dörfchen mehr, vielmehr die größte Stadt im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis, zehn Kilometer nordöstlich von Stuttgart. Und so lehnt die Scheune zwar noch immer an der alten Stadtmauer, liegt aber mittendrin in Waiblingens Altstadt. Die Rems, von den oberen Geschossen gut zu sehen, gluckert fröhlich vorbei.
Wo früher die Ernte lagerte, wird jetzt auf sechs Geschossen und 582 Quadratmetern Bruttogrundfläche gewohnt und gearbeitet. Auf den ersten zwei Geschossen liegen die Büroräume hinter dem verglasten Scheunentor, die oberen vier Stockwerken fassen die 150 Quadratmeter große Wohnung. Trotz aller Umbauten charakteristisch: das 55 Grad steile Satteldach, ein Kehlbalkendach mit kombiniert liegendem und stehendem Dachstuhl.
Neu organisiert sind innere und äußere Erschließung, die parallel zur Stadtmauer als „führendes Element“ funktionieren. Der historische Wehrgang wird so im zweiten Obergeschoss zum „Erschließungsgang“ für Büro und Wohnung. Neu ist auch, dass die Architekten nicht nur die Scheune, sondern das gesamte, bislang brachliegende Grundstück in ihre Planung einbezogen. Ergebnis: Ein die Scheune ergänzender Neubau an der Stadtmauer, der die vorherige Baulücke schließt und einen Innenhof schafft. (kat)
Fotos: David Franck
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Designer | 31.08.2018 12:01 UhrHerrliche
Ich finds einfach nur toll. Super Kombi zwischen Alt und Neu, tolle Auswahl an Materialien. Einzig die Frontfassade ist mir etwas zu glatt (beurteilt anhand des Fotos).