Die Schelling-Architekturstiftung aus Karlsruhe bewies in diesem Jahr, wie stark sie ihren Auftrag darin sieht, neue Denkansätze im Architekturdiskurs zu unterstützen und zu verbreiten. Das beginnt bereits mit ihrer Auszeichnung für Theorie, dessen Preisträger sie am 16. November feierlich geehrt hat: Den Publizisten und Journalisten Doug Saunders. Nach Kenneth Frampton (Preisträger für Theorie 2012) und Juhani Pallasmaa (Preisträger für Theorie 2014) stellt Saunders als Architekturlaie eine Ausnahme unter den Ausgezeichneten dar, die alle zwei Jahre von der Stiftung gekürt werden. Der Kanadier hat bislang mit Reportagen, Sachbüchern und Essays für ein breites Publikum auf sich aufmerksam gemacht.
Mit der Auszeichnung Saunders macht die Schelling-Stiftung auf die politische Aktualität seiner Arbeit in Zeiten von Flüchtlingskrise und nationalem Protektionismus aufmerksam. Saunders journalistischer Einsatz gilt einer offenen, pluralistischen Gesellschaft und wie sie räumlich bestehen kann. Als „präzisen Gesellschaftsbeobachter” bezeichnet ihn Jurymitglied Georg Vrachliotis und begründet die Ehrung durch den Theoriepreis so: „Couragiert (...) untersucht er Fragestellungen und Themen, die nicht nur von großer Relevanz, sondern auch von enormer Brisanz sind. Statt politischem Alarmismus, Kulturpessimismus oder – ganz aktuell – Populismus, gibt uns Saunders neue Denkmodelle und optimistische Narrative (...) an die Hand.“
Saunders Engagement für das Zusammenleben der Vielen, insbesondere in der Stadt, ist inhaltlich mit den Nominierungen für die weitere Auszeichnung der Schelling-Siftung vereinbar, nämlich dem Preis für Architektur. Alle drei Büros, die am 16. November vor der Jury ihre Arbeit vorstellten, verbindet, dass sie stets nach neuen Anwendungen von Architektur im Stadtraum suchen. Auch De Vylder Vinck Taillieu (Gent), Rozana Montiel (Mexico City) und Kempe Thill (Rotterdam) fordern eine gewisse Offenheit und intellektuelle Beweglichkeit, wenn sie smarte und unkonventionelle Lösungen für das urbane Miteinander anbieten. Die Vorschläge der drei Büros für eine zeitgenössische Architektur sind einfach und auf Mensch sowie individuelle Umgebung zugeschnitten, seien es die Autobahnraststätten aus Modulen von Rozana Montiel, die sachlichen Kulturbauten von Kempe Thill oder die im ständigen Austauschprozess entwickelten Umbauten (etwa der kürzlich fertiggestellte Schmuckladen in Gent) von Jan De Vylder, Inge Vinck und Jo Taillieu.
Der Gewinner, so entschied die Jury am 16. November, ist schließlich das belgische Architekturbüro De Vylder Vinck Tailieu – DVVT. Jurymitglied Wilfried Wang lobt, dass „für das belgische Büro das Bauen alltägliches Tun ist, wie Waschen und Essen. Ihr umfangreiches Werk stellt seit ihrer Gründung im Jahr 2008 eine ganze Reihe von Gewissheiten über Architektur infrage. Ihre Entwürfe spielen mit den Erwartungen des einzelnen Betrachters, den Sehgewohnheiten und der Uminterpretation von Materialien.“ Auch wenn jetzt auf Inge Vinck, Jan De Vylder und Jo Taillieu der meiste Ruhm fällt, so präsentieren alle drei nominierten Büros spannende und innovative Ansätze, die auch die Offenheit der erst 1992 gegründeten Schelling-Architekturstiftung beweisen. (sj)
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