Alsterzentrum hieß eines der wahnwitzigsten Projekte der gewerkschaftlichen Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat. Hierbei sollte Mitte der Sechzigerjahre der laut Spiegel „größtenteils abbruchreife“ Hamburger Stadtteil St. Georg durch eine Megastruktur aus Wohnen und Arbeiten ersetzt werden. Die Visualisierungen zeigen segelartig aufsteigende Hochhäuser, denen man eine gewisse Eleganz durchaus zugestehen kann. Das Projekt scheiterte jedoch schon bald am Widerstand der Grundeigentümer und Bewohner von St. Georg, die sich mit der drohenden Enteignung und Zwangsumsiedlung nicht abfinden wollten.
Nun wird das Alsterzentrum doch noch realisiert, so scheint es jedenfalls, wenn auch etwas weiter westlich: Gestern wurde nämlich Santiago Calatravas erstes Projekt in Großbritannien vorgestellt, das mit seiner Konfiguration aus geschlossenem Sockel und drei steil aufragenden Wohntürmen deutliche Parallelen zum Hamburger Entwurf von Hans Konwiarz erkennen lässt. Unter dem Namen Peninsula Place soll nahe des Millennium Domes auf der Greenwich Peninsula nicht weniger als eine kleine Stadt entstehen – auch das eine Parallele zum Alsterzentrum. Über 100.000 Quadratmeter Geschossfläche sind für Büros, Wohnungen und Hotels sowie eine überdachte Passage mit Geschäften, Restaurants und Cafés vorgesehen.
Man habe sich für die Architektur London selbst zum Vorbild genommen, so der Entwickler Sammy Lee, und er meint damit anscheinend eine gewisse Kleinteiligkeit zumindest im unteren Teil des Komplexes. Innerhalb des größeren Insel-Masterplans von Allies & Morrison wirkt die Anlage allerdings ziemlich isoliert, wozu die Erschließung mit einer ebenfalls von Calatrava gestalteten Fußgängerbrücke noch zusätzlich beitragen dürfte. Aber auch das erinnert wieder an das Alsterzentrum, dem man Ähnliches vorwarf. Im Gegensatz zum Hamburger Vorläufer hat das Vorhaben in London allerdings einen entscheidenden Vorteil: Hier befindet sich heute kein gewachsenes Viertel, sondern lediglich ein windiger Parkplatz. (sb)
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2050 | 03.02.2017 16:59 UhrBrexit
Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, das der spekulative Investorenwahn Asiens auch in Europa fruchtbaren Boden findet. London scheint nach dem Brexit für diese Art von architektonischen Investoren-Katastrophen ein fruchtbarer Boden zu werden. Wenn es nicht so makaber wäre: Die städtebaulich-architektonischen Verirrungen der 70er Wohngeschoß-Giganten sind bis heute noch nicht bewältigt. Aber so gute Architekten wie Calatrava haben keine Skrupel für Sanierungs-Nachschub zu sorgen. Die Architekten werden ihm 2050 für diesen Sanierungsauftrag danken.