Am 23. April 1945 rückt die Rote Armee in Karlshorst ein und beendet damit den Zweiten Weltkrieg für den Ortsteil im Berliner Südosten. Das sowjetische Heer bezieht die Räume der örtlichen Festungspionierschule. Und bleibt, nachdem in ebendiesem Quartier die Wehrmacht ratifizierend ihre Kapitulation unterzeichnet hatte, weitere 49 Jahre als Besatzungsmacht in Karlshorst präsent. Rund 26.000 Karlshorster werden kurzfristig aus ihren Wohnungen gedrängt, als ein Großteil des Ortes zum sowjetischen Sperrgebiet erklärt wird.
Heute erinnert wenig an diese Zeit und das, was in der „verbotenen Stadt“ passierte. Viele der durch die Russen errichteten Gebäude verfallen seit dem endgültigen Truppenabzug 1994, die Schäden, die ihre schweren Panzer in den Straßenbelag gefurcht hatten, wurden entfernt. Einzig das ehemalige Hauptquartier der sowjetischen Militäradministration mit dem Kapitulationssaal ist heute als Deutsch-Russisches Museum öffentlich zugänglich und gibt Auskunft über die verflochtene Geschichte. Und dann ist da noch das heute denkmalgeschützte „Haus der Offiziere“, ein Reparations- und Befehlsbau zum Wiedererwecken eines humanistischen Kulturbegriffs in Deutschland: Der erste Theaterneubau der Nachkriegszeit. Nach vielen Jahren weitgehenden Leerstands soll dort nun schon in Kürze wieder Kultur stattfinden.
2108, elf Jahre nachdem der zuletzt privat geführte Theaterbetrieb eingestellt wurde, startete die kommunale Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE einen erneuten Anlauf, das Kulturhaus zu reaktivieren – ein erster war nach der Sanierung der Fassaden gescheitert. Nach Übertragung an die gesellschaftseigene Stiftung Stadtkultur, die soziokulturelle Projekte mit Schwerpunkt im Bezirk Lichtenberg anstößt, wurde in Gesprächswerkstätten ein neues Raum- und Nutzungskonzept für den neoklassizistischen Gebäudekomplex entwickelt: Aus der Großbühne für bis zu 600 Zuschauer*innen, auch „Russenoper“genannt, soll ein zeitgenössischer Veranstaltungsort werden. Mit der Umsetzung des Umbaus wurde das Berliner Büro dhl-architekten beauftragt, das über große Expertise im Umgang mit denkmalgeschützer Bausubstanz insbesondere aus DDR-Zeiten verfügt. Bisher unveröffentlichten Plänen zufolge sollen Saal, Bühne und Foyers saniert und zu unabhängig voneinander bespielbaren Räumen umgestaltet werden.
Als Partner nennt die Stiftung neben den beteiligten Planern – darunter die beiden Ingenieurbüros Silver Construction Engineering (Berlin) und Zetcon Ingenieure (Bochum/Berlin) – sowie staatlichen Kulturförderprogammen und dem Performancenetzwerk Joint Adventures auch die Branding-Agentur Spring, eine Tochterfirma der Dan Pearlman Group. Die steckt vermutlich hinter dem Internetauftritt des KAHO – Raum für Kultur. Der wirkt derzeit nämlich um einiges frischer als das Interieur, das noch immer den abblätternden Charme der 1950er versprüht. Es muss also noch einiges passieren bis das KAHO wie avisiert 2025 eröffnen kann. Ein ab Ende Juni startendes Interimsprogramm soll allerdings die Wartezeit verkürzen und den wieder neu entstehenden Kulturort trotz seiner Lage außerhalb des S-Bahn-Ringes im Bewusstsein seines zukünftigen Zielpublikums verankern. Dass dieses sich mit künstlerischen Positionen – davon über ein Drittel Beiträge von der ehemaligen Sowjetunion biografisch verbundenen Künstler*innen – verstärkt auch an die russische Diaspora in der deutschen Hauptstadt wendet, zeugt von einer ernsthaften Auseinandersetzung und der Integrität des gesamten Vorhabens. (kms)
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www.kaho-berlin.de
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