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25.06.2024

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Hyparschale wird Eventlocation

Sanierung und Umbau in Magdeburg von gmp


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Mit seinem eigenen, auf gekrümmte Hallendächer spezialisierten Betrieb war der Ingenieur Ulrich Müther (1934-2007) eine Ausnahmeerscheinung in der ehemaligen DDR. Seine Sonderbauwerke entstanden nicht nur im eigenen Land, sondern ab den 1980er-Jahren auch in den sozialistischen Bruderstaaten Kuba und Libyen sowie in Wolfsburg, Osnabrück und Fulda.

Die 1969 gebaute „Ausstellungs- und Messehalle im Park Rotehorn“ in Magdeburg, die am 20. Juni nach umfassender Sanierung durch das Büro gmp • Architekten von Gerkan Marg und Partner (Hamburg) wiedereröffnet wurde, ist im vielfältigen Werk von Müther etwas Besonderes. Das liegt einerseits an dem gekrümmten Betonschalendach, für das er den Begriff der „Hyparschale“ erfand, andererseits aber auch am Umgang mit seinen Bauten.

Denn nachdem die um 2000 in Berlin für Stadtentwicklung Zuständigen –Bausenator Peter Strieder und Senatsbaudirektor Hans Stimmann – so ignorant waren, den Abriss von Müthers spektakulärer „Großgaststätte Ahornblatt“ an der Fischerinsel trotz Denkmalschutz für den Neubau eines Investors in Kauf zu nehmen, steht die größte noch erhaltene Hyparschale nun eben im Rothornpark in Magdeburg. Dort war man schlauer als in Berlin. Zwar drohte der Mehrzweckhalle nach Jahren der Vernachlässigung ebenfalls der Abbruch, doch die Stadt Magdeburg hörte die Proteste aus der Bürgerschaft und von Expert*innen aus dem Ausland und nahm die Sanierung selbst in die Hand. Im Zuge eines VgV-Verfahrens beauftragte sie gmp 2017 mit der Sanierung.


Um die filigrane Dimension des denkmalgeschützten Daches zu bewahren, wurde das Verfahren für die Schalensanierung mit Carbonbeton am Institut für Massivbau der TU Dresden zusammen mit den Ingenieuren Rühle, Jentzsch und Partner (Dresden) als Modifizierung bisheriger Anwendungen aus dem Straßenbau entwickelt. Die Carbonbeton-Spezialisten von Carbocon aus Dresden verantworteten die Planung für die Zulassung im Einzelfall, deren Umsetzung übernahm das Team von gmp. Im Detail hatten wir darüber bereits 2020 von der Baustelle berichtet. Dank der durch die Carbonfasermatten verbesserten Dachkonstruktion ist die Hyparschale nun lichtdurchlässiger denn je. Welche Leistung hinter den Projektbeteiligten liegt, lässt sich am besten anhand der Fotos aus den Jahren 2017/2018 vor dem Baubeginn erahnen. 

Neben der Rettung der Dachschale war die zweite große Herausforderung, einen Kompromiss mit der von der Stadt anvisierten Nutzung zu finden. Denn diese wollte aus der Mehrzweckhalle kleinere Veranstaltungsräume machen. In Kombination mit der gewaltigen benachbarten Stadthalle (Baujahr 1927, Entwurf von Johannes Göderitz) sollten darin flexible und separat nutzbare Räume für Events mit 200 bis 600 Gästen entstehen. Doch wie sollte das gehen, ohne den imposanten Raumeindruck im Inneren zu verlieren? Über dem 2.300 Quadratmeter großen, stützenfreien Innenraum steigt das Dach in der Mitte auf bis zu 12 Meter Raumhöhe an.

Die Architekt*innen fanden eine Lösung, indem sie vier 15 x 15 Meter große Funktions-Kuben in die Ecken des quadratischen Hallengrundrisses stellten. Darin kommen zwei Veranstaltungsräume, ein Café und Nebenräume unter. Die offene Zone dazwischen lässt nun auf kreuzförmigem Grundriss mit einem ebenfalls etwa quadratischen Raum in der Mitte den Blick zur Decke frei. Die einst von Müther entworfenen und nun wieder transparent verglasten Lichtbänder in der Decke folgen genau diesem Kreuz. Die separaten Kuben und die Mittelzone können mit Vorhängen und Schiebe-Elementen abgetrennt werden.

Zudem können Besucher*innen auf die Dächer der vier Kuben steigen. Hier, auf 5,80 Meter Höhe, kommt man der Decke nicht nur auf Armlänge nahe, man kann auch den Blick durch den gesamten Raum schweifen lassen. Die Gesamtkosten werden mit rund 24 Millionen Euro angegeben, wovon etwa 8,3 Millionen Euro von Bund und Land gefördert wurden. (fh)

Fotos: Marcus Bredt, Marcus Dzialla/ostmodern, Müther-Archiv an der Hochschule Wismar


Zum Thema:

Am 19. Juli 2024 eröffnet „Banksy – A Vandal Turned Idol“, eine Ausstellung über den britischen Graffiti-Künstler Banksy. Sie ist bis 10. November 2024 in der Hyparschale Magdeburg, Kleiner Stadtmarsch 7, 39114 Magdeburg zu sehen.

Das Müther-Archiv an der Hochschule in Wismar hat 2017 die empfehlenswerte Broschüre „Ulrich Müther. Schalenbauten in Magdeburg“ herausgebracht. Man kann sie für 9 Euro plus Versandkosten bestellen unter: www.muether-archiv.org
Mehr zum Müther-Archiv bei Baunetz Campus.


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Kommentare

20

Lars K | 26.06.2024 17:34 Uhr

Danke

Danke, Baunetz, dass ihr in dem Zusammenhang nochmal den Skandal um das Ahornblatt erwähnt. Bis heute tut es mir jedes Mal weh, wenn ich an dem Ort vorbeikomme.

Und zu den Kommentaren hier: Das Ahornblatt hätte ich z. B. LIEBEND gerne behalten und dafür so eine rustikal stabile Fassade lächelnd in Kauf genommen.

19

peter | 26.06.2024 16:43 Uhr

sehr on point...

...auch kommentar 13: das wiegt selbstverständlich noch viel schwerer als alle wärmegedämmt-verdickten details - der innenraum und die erlebbarkeit des daches wurden durch die neuen einbauten völlig ver- bzw. entstellt. nicht gut. hier wurden kompromisse eingegangen, die man besser nicht eingegangen wäre. vielleicht wäre eine sicherung und sanierung der hülle mit einfacher wiederherstellung des lichtkreuzes im dach, kombiniert mit einer unbeheizten nutzung (meinetwegen als skate-, eislauf- oder reithalle) zielführend gewesen. hier hätte man für sehr viel weniger geld weitaus mehr originalsubstanz erhalten können.

aber dass die fassade wirklich nichts trägt, ist noch nicht bestätigt. es scheint eher verdächtig, dass die vertikalen streben bereits vor der fertigstellung des daches eingezogen waren, siehe bilder 18 und 19. ich halte mal dagegen und behaupte, die fassade trägt sehr wohl - wenn auch nur zur verhinderung des abkippens der schale bei sturm.

18

fred | 26.06.2024 16:33 Uhr

Dank VOF/VgV

und dem Dresdner Kulturpalast als Referenz sind gmp mittlerweile sehr erfolgreich bei der Akquirierung von Aufträgen, die die Instandsetzung von gestalterisch sensiblen Ikonen der Nachkriegsmoderne zum Gegenstand haben. Andere Büros mit deutlich größerer Expertise auf diesem Gebiet haben das Nachsehen. Wir werden in den nächsten Jahren leider noch viele solcher normgerechten Sanierungen sehen.

17

Hirsch | 26.06.2024 16:18 Uhr

Tolles Dach

Die Schale selbst ist sowieso super. Auch das jetzige Aufbrechen und damit das Licht Hereinlassen, sehr schön.

Vll etwas zu weiß das ganze, dunklere Profile wären vll besser gewesen. Das einzige Manko ist der voll gestellte Innenraum. Bei den Sanierungskosten ist es ehrlich gesagt halt aber auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit, ob das ganze Unterfangen der Sanierung Sinn macht, oder nur der Abriss bliebe.
Positiv ist doch auch, dass die Einbauten zu einem späteren Zeitpunkt wieder entfernt werden können, die Struktur der Halle selbst vollkommen intakt bleibt. Daher: gelunge Sanierung mM.

16

#14 | 26.06.2024 16:07 Uhr

Bravo!

Dank an Magdeburgerin für diesen schönen, unaufgeregten Beitrag. Leider ist halt immer leichter und vielleicht auch interessanter, vermeintliche Schwachstellen zu identifizieren als mal das Gute zu betonen. Zugegeben lese ich die Kommentare hier immer, um mich aufregen zu können. Über die Überheblichkeiten, die Arroganz und den Neid der aus vielen Sätzen zu spüren ist.
Aber dennoch tut dann ein Kommentar wie der der Magdeburgerin gut und zeigt mal wieder, über welche Nebensächlichkeiten wir uns manchmal die Köpfe heiß reden.

15

auch ein | 26.06.2024 15:11 Uhr

architekt

sehr trauriges ergebnis.
ABER: wenn man eben nach neuen normen baut (die ja auch zugunsten der "nachhaltigkeit", energieeffizienz etc sind) geht es kaum anders.
ich glaube nicht, dass GMP extra hässlich bauen wollte …

das ist aber das thema bei JEDER sanierung mittlerweile. Fassaden sind halt keine kalifornischen Stahlprofile mit eingeklebten Gläsern und dann ab die Klimaanlage an.
Selbst alte bleivergossene Kirchenfenster muss man heute energetisch sanieren.

14

Magdeburgerin | 26.06.2024 14:57 Uhr

Kommentar

Schon interessant, in welche Richtung die Diskussion, wenn man es so nennen mag, in diesem Forum geht. Sicher kann man über die Fensterprofile und die vorher doch andere Aufteilung der Sprossen (auch horizontal) nachdenken. Eigentlich finde ich das hier aber nicht das Wichtigste. Ich kenne das Gebäude noch von vor 1990 und erinnere mich an eine weite Halle im Inneren mit einer großen Sitztribüne, einem wirklich beeindruckenden Dach, in der es dann aber auch recht dunkel war. Die Fassade bestanden, soweit ich weiß, aus Industrieglas. Das Licht war recht gedämpft und die Decke komplett geschlossen. Insofern finde ich tatsächlich auch, dass die Hyparschale bei uns in Magdeburg endlich wieder leuchtet, nach außen, aber mehr noch nach innen. Auf den Bredt-Fotos sieht das Innere jetzt ziemlich aseptisch aus, aber das wird sich im Gebrauch sicher bald ändern. Ich freu mich auf den ersten Besuch. Und dass die Stadt selbst es auf sich genommen hat, dieses Denkmal zu retten, ist doch wahnsinnig gut und begrüßenswert. Da ärger ich mich persönlich jetzt nicht so sehr über die Profile oder die leicht veränderten Fassaden …

13

Davide | 26.06.2024 14:54 Uhr

Aufregung?

Ich kann die Aufregung über die Fassade hier nicht nachvollziehen - alles was ich an Bildmaterial finde, deutet darauf hin, dass sich die vertikalen Profile nicht wesentlichen vom Bestand unterscheiden. Woher kommt diese Idee, dass hier das Problem liegt?

Aus meiner Sicht liegt das Problem eher in dem, die räumliche Dramatik des Daches völlig verstellenden neuen Innenausbau. Aber auch da muss man wohl realistisch Sagen: wenn man als Bauherrschaft meint, es sei eine angemessene Idee, aus einem solchen Bauwerk maximal viel qm Fläche rauszuholen (die dann noch nichtmal sinnvoll getrennt zu nutzen ist, micht würden hier Szenarien interessieren), dann kommt wohl zwangsläufig dieses Ergebnis dabei heraus.

12

Kein Magdeburger | 26.06.2024 11:04 Uhr

Walther P.

Ich möchte hier noch mal unterstreichen wie on Point Kommentar #8 ist.

11

peter | 26.06.2024 09:37 Uhr

@4 nene,

die fassade ist eben nicht "original".
es gibt bestandsbilder aus dem jahr 1969, die das widerlegen.

10

heubedi | 26.06.2024 09:14 Uhr

Fensterprofile

Kollegenschelte ist immer schnell bei der hand, wir alle wissen, wieviele zwänge es immer wieder gibt....

ich sehe bei dem Ergebnis der Kolleg:Innen von gmp wirklich keine derartigen
- lieblosen
- langweilige
- zerstörerischen
"Verfehlungen"
und stimme Herrn Heidenreich zu:
"Schön ist, dass die Hyparschale erhalten bleibt"

Siehe auch Alsterschwimmhalle Hamburg !

9

positiveneuronenbildung | 26.06.2024 09:08 Uhr

marodegesellschaftsgegenwart

Wenn man die meisten Kommentare hier liest, hat man das Gefühl, man sei auf einer Fahrradstraße in Berlin: schlechte Laune, Neid, sinnlose Kritik, Hauptsache Frust rauslassen... und dann wundern wir uns, wieso die "blauen" Herzen im Moment so stark sind! immer die andern... immer die andern... la la la la la la lá!

8

Walther P. | 25.06.2024 21:50 Uhr

Hyparschale

@4 Die Fassade trägt weniger als ich im Homeoffice.

7

Nathan Kosic | 25.06.2024 20:38 Uhr

Seelenlos

Bild 3 und 4 sagen alles – was für ein Trauerspiel! Schließe mich dem/der Vorredner*in an, es ist eine extrem kostspielige Kaputtsanierung.

Wie kann so etwas in so einem erfahrenen Büro passieren? Einmal mehr ein Beleg, dass VGV-Verfahren die nach Referenzen und Büroumsatz auswählen, oft trostlose Ergebnisse produzieren...

6

Architekt | 25.06.2024 20:25 Uhr

West

Westdeutsche "Ingenieurkunst" trifft Ostmoderne...Die Fensterprofile sind der absolute Todesstoß für das Haus. Ansonsten auch lieblos detailiert. Unglaubliches Armutszeugniss.

5

peter | 25.06.2024 19:53 Uhr

kaputtsaniert

hier sehen wir die nobelversion einer kaputtsanierung - für schlappe 24 millionen euro hat man hier mit stararchitekten den charakter des hauses zerstört, dabei wusste man es seit langem - less is more!

ob irgendwo unter dicken putzschichten, thermisch optimierten hightech-fassaden und normgerecht abgedichteten dächern noch etwas von der müther'schen originalsubstanz steckt, macht irgendwann kaum noch einen unterschied.

4

Buddy | 25.06.2024 19:35 Uhr

Hyparschale

zu den beiden Kommentaren zur Fassade:

Ja, richtig gesehen, die Schalen liegen auf der Fassade auf! Die Fassdaden tragen!

Und die Fassade ist Original so wie sie ist. Müther wird sie so sensibel wie möglich konstruiert haben.

3

Hans-Jacob Heidenreich | 25.06.2024 18:57 Uhr

Lieblose Details

Schön ist, dass die Hyparschale erhalten bleibt und nicht das Schicksal anderer Müther-Bauten teilen muss.

Schade ist jedoch, dass die Transparenz des Schalenbaus durch die Einbauten weitgehend zerstört wurde und dass lieblose und langweilige Details (Fenster) das Bild bestimmen.

2

Fritz | 25.06.2024 18:12 Uhr

Rohbau

der Rohbau sihet bedeutend eleganter aus als das Endprodukt. Die Leichtigkeit der Schale kommt gar nicht mehr zur Geltung. Es siet so aus als würde diese auf den Fensterprofilen aufliegen. Trotzdem ein schönes Gebäude - tut mir immer noch im Herzen weh, dass man das Ahornblatt in B trotz Denkmalschutz abgerissen hat....

1

a-w | 25.06.2024 16:09 Uhr

Hyparschale Sanierung

leider ziehen die Fensterprofile alles runter - schwer vorstellbar, daß das nicht sensibler möglich gewesen wäre; sehr schade - gmp, wirklich?

 
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