Seit 2018 baut die Stadt Würzburg an der Erweiterung des Mainfranken Theaters aus den 1960er Jahren. Der Prozess ist kompliziert und erzählt von Bauverzögerungen, gestiegenen Kosten und einem insolventen Planungsbüro. Immerhin wurde im Dezember 2023 der neue Kopfbau eröffnet. Zeit für ein Zwischenfazit: Kommen die hohen Ansprüche an ein zeitgemäßes Theater mit der Nachkriegsarchitektur überein?
Von Maximilian Hinz
Nicht weit von der barocken Würzburger Residenz Balthasar Neumanns befindet sich das Theater der Stadt. Nach Plänen von Hans-Joachim Budeit wurde es 1966 als typischer Nachkriegsbau errichtet, mit großer Glasfront, hervortretenden Betonstützen und profilierten Seitenfassaden. Das Mehrspartenhaus, in dem Musiktheater, Schauspiel, Ballett und Konzerte stattfinden, ist baulich in die Jahre gekommen.
Zugleich sind die Ansprüche an eine solche Kulturinstitution und somit auch an seine Architektur enorm gestiegen. In Würzburg benötigen Schauspiel und Tanz zusätzliche Spielstätten. Überdies soll ein „Theater der kurzen Wege“ entstehen, das alle künstlerischen und technischen Arbeitsstätten in einem Haus versammelt. Im Budeit-Bau selbst war es dafür zu eng. Die Stadt als Bauherrin entschied deshalb, das Nachkriegsgebäude generalsanieren, umbauen und erweitern zu lassen.
Pläne für die Kulturmaschine
All das mit einem Bestandsgebäude der Nachkriegszeit zu vereinbaren, ist eine komplexe Aufgabe. Anpassungen an aktuelle bauliche, technische wie energetische Standards, dazu die Ausweitung und Öffnung des künstlerischen Programms – derlei Ansprüche erfordern eine wahrliche Kulturmaschine. Dass dieses Projekt auch Probleme mit sich bringen würde, war so gut wie vorprogrammiert.
2017 erhielt das Hamburger Büro PFP Planungs GmbH in einem Vergabeverfahren den Planungsauftrag der Stadt. Bereits 2016 hatte das Büro um Jörg Friedrich eine Machbarkeitsstudie zu dem Vorhaben angefertigt. Es hat Erfahrung mit Theater- und Kulturbauten, war zum Beispiel an der Sanierung des Schauspielhauses in Düsseldorf beteiligt. In Würzburg entwickelte es Pläne für den Umbau und eine Erweiterung, die seit 2018 in zwei Bauabschnitten umgesetzt werden.
Um bei laufendem Spielbetrieb arbeiten zu können, ließ man zwischen dem Neubau des Kopfgebäudes (erster Bauabschnitt) und dem Bestand (zweiter Bauabschnitt) eine massive Brandschutzwand einziehen. Zu Beginn der Planungen waren 72 Millionen Euro und vier Jahre Bauzeit veranschlagt. 2022 wollte man mit der gesamten Baumaßnahme fertig sein. Tatsächlich wurde aber im Dezember 2023 nur der neue Kopfbau eröffnet, im Bestand sind derweil lediglich die Rohbauarbeiten abgeschlossen. Die voraussichtlichen Kosten für die gesamte Baumaßnahme mit über 18.600 Quadratmeter BGF sind inzwischen auf 103 Millionen Euro gestiegen.
Selbstbewusster Kopfbau
Im neuen Kopfbau sind nun ein Theatersaal mit 330 Plätzen (das sogenannte Kleine Haus), mehrere Probebühnen, ein Ballettraum, Gastronomieräume und das neue Foyer untergebracht. PFP entwarfen einen Baukörper mit Natursteinfassade und L-förmigem Querschnitt, sodass die oberen Geschosse weit auskragen. Dabei ging es den Verantwortlichen vor allem um eine neue prägnante Eingangssituation. Denn früher schob sich ein flacher Pavillon unter dem Theaterbau hervor, der zusammen mit dessen dunklen Holztüren ein wenig zu provinziell erschien. Anstelle des Flachbaus flanschte man also ein vierstöckiges Bauwerk mit großen Glasflächen vor die Front des Budeit-Baus.
Offener, sichtbarer, urbaner soll das Haus wirken. Die breite, acht Meter weite Auskragung bildet einen Stadtbalkon im zweiten Obergeschoss. Unterhalb liegt neben dem Foyer auch der Ballettraum direkt an der Glasfassade, abends können Passanten das Tanzensemble also beim Proben beobachten. Die Idee, mehr vom Theateralltag zu zeigen, gehe voll auf, sagt Bauherr und Theaterdirektor Dirk Terwey. Momentan endet das neue Foyer noch abrupt an der Brandschutzwand vor dem Bestand. Mit Abschluss der Bauarbeiten werden beide Häuser schwellenlos miteinander verbunden.
Adé 60er-Jahre-Antlitz
Derzeit wird der Bestand generalsaniert und erweitert. 2026 soll dieser zweite Bauabschnitt fertig sein. Der Budeit-Bau zeichnete „in fast idealer Weise die Produktionswege eines Theaters von den Werkstätten bis zum Bühnengeschehen nach“, sagt Terwey. Dennoch sind Anpassungen für die Modernisierung vorgesehen. Die Visualisierung zeigt: Vom äußeren Erscheinungsbild der Nachkriegszeit wird nichts behalten. Vielmehr überziehen die Architekt*innen von PFP das gesamte Volumen mit der gleichen, glatten Natursteinfassade, wie sie auch den Neubau prägt.
Im Inneren sollen neben der Rohbausubstanz beispielsweise auch die offenen Treppen sowie die Grundzüge des alten Saals (Großes Haus) erhalten bleiben. Hinzu kommen bauliche Ergänzungen, in denen eine neue Orchesterprobe und eine Kostümwerkstatt unterkommen. Dass vor allem an den Fassaden radikale Veränderungen möglich sind, liegt auch an der Denkmalpflege, die den Budeit-Bau nicht unter Schutz stellte.
Knackpunkte Zeit und Kosten
Bauverzögerungen und gestiegene Kosten führten dazu, dass die Bauherrin das Büro PFP Planungs GmbH, die anfangs in den Leistungsphasen 2–9 beauftragt waren, 2022 kündigte. Detlef Junkers von PFP erklärt, der Zustand des Bestandsgebäudes habe sich während der Bauphase als deutlich kritischer herausgestellt als vermutet. Zudem gab es Probleme bei der Bauleitung. Bis zur Kündigung hatten PFP im Neubau die Leistungsphasen 2–8 und im Bestand die Phasen 2–5 erbracht. Inzwischen ist das Büro FMP design engineering (Schweinfurt) für den Bau verantwortlich. Die PFP Planungs GmbH hat das Projekt in die Insolvenz geführt. Inzwischen wurde es als Prof. Jörg Friedrich | Studio PFP (Hamburg) sach- und personenidentisch neu gegründet.
Die Bauherrin sowie auch das Team von Studio PFP sind mit der Fertigstellung des Kopfbaus jedenfalls zufrieden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kam zur Eröffnung. Immerhin steht dem Mainfranken Theater in Aussicht, zum bayrischen Staatstheater erhoben zu werden.
Fotos: Steffan Sturm, Benjamin Brückner, Nik Schölzel
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à propos | 23.04.2024 23:32 Uhrprovinziell...
die eingangsgeste mag ja halbwegs ok sein, aber was da ansonsten veranstaltet wird ist schon arg grob, zum bestand und zur stadt...
diese unproportional seitenfassade, das gipskarton-innere, der belanglose saal, usw.... das war echt ein schönes haus vorher, vielleicht mit einer nicht optimalen eingangssituation, aber alles andere sehr lässig. jetzt halt "moderner", unverwechselbar sicher nicht.