In Anlehnung an die Cité Internationale Universitaire de Paris entstand ab den 1960er Jahren in zwei Bauabschnitten im Münchener Stadtteil Schwabing-Freimann die von Ernst Maria Lang geplante Studentenstadt, die sogenannte StuSta, nahe des nördlichen Englischen Gartens mit Wohnraum für 2.400 Studierende. Die mittlerweile in die Jahre gekommene Anlage besteht aus der sogenannten Altstadt mit zwei- bis dreigeschossigen, kürzlich sanierten Atriumhäusern und zwei Neungeschossern sowie der Neustadt, deren fünf Hochhäuser nach den Farben ihrer Fensterrahmen benannt sind.
Unrühmlich gestaltet sich die jüngere Geschichte der größten Studierendensiedlung Deutschlands. Nach einem Brand mit Todesfolge einer Bewohnerin im Jahr 2021 erfolgte die Schließung gleich mehrerer Häuser aufgrund ihres maroden Zustands. Lediglich rund 1.000 Einheiten sind seither bewohnt, also steht weit weniger als die Hälfte der Kapazität in der StuSta zur Verfügung. Der erzwungene Leerstand wird noch viele Jahre anhalten und ist gerade vor dem Hintergrund der prekären Wohnungslage in München speziell für junge Menschen ein brisantes Thema. Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Studentenwerk und Freistaat sowie die Kostenfrage bestimmen derzeit das Bild, wie die Süddeutsche Zeitung laufend berichtet.
Zu einem der rechtzeitig angestoßenen Projekte im sukzessive abzubauenden Sanierungsstau gehört das Haus 11 in der Neustadt, auch unter dem Namen das „Blaue Haus“ bekannt. Dieses wurde seit 2020 im Auftrag des Studierendenwerks München und Oberbayern vom Planungsteam bogevischs buero (München) für rund 22 Millionen Euro generalsaniert und im Mai 2023 als „Sophie-Scholl-Haus“ wiedereröffnet. Mit der Namensgebung wird die Tradition fortgesetzt, Straßen und Gebäude der Studentenstadt nach Mitgliedern der Widerstandsgruppe Weiße Rose zu benennen.
Das 1975 fertiggestellte, von Sepp Pogadl entworfene achtgeschossige Gebäude umfasst 8.135 Quadratmeter Fläche und 250 Wohnplätze. Innen und außen wieder gut erkennbar ist das Gebäude durch seine markante Farbgebung im sogenannten Olympiablau. Jedoch wurden die deutlich strukturierten, brutalistischen Fassaden aus Betonbalkonen verändert, die baufälligen Brüstungen abgebaut und der Raum den Einzelapartments zugeschlagen. Es entstand eine neue Fassade, der nun lediglich durchgängige Fluchtbalkone vorgelagert sind.
Deren Böden und Geländer bestehen aus Gitterrosten und erlauben zusammen mit bodentiefen Fenstern eine verbesserte Belichtung der kleinen Wohnungen. In den Küchennischen, die hinter abgerundeten Wänden neben den Eingangstüren platziert sind, sind zudem kleine quadratische Fenster eingebaut, die Lichteinfall und Sichtkontakt zum Flur zulassen. Um Verkehrsflächen zu attraktiven Treffpunkten umzugestalten, wurden im Erdgeschoss Wände entfernt und im Eingangsbereich ein offenes Atrium mit Sitzgelegenheiten geschaffen. Ein Teil der Tiefgarage ist zur Unterstellfläche für Fahrräder umgenutzt. (uav)
Fotos: Rainer Taepper
Zum Thema:
Die Beziehung zwischen kleinen Apartments und Gemeinschaftsbereichen spielten die Architekt*innen von bogevischs buero bereits bei der realisierten Wohnanlage wagnisART oder dem geplanten großen kleinen Haus im Kreativquartier durch.
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Christian Richter | 14.07.2023 14:21 UhrChancenverwertung
Mir scheint es so, dass hier nicht alle Chancen genutzt wurden - oder genutzt werden konnten. Die Farbgebung ist etwas merkwürdig, warum hat man sich nicht getraut, das originale Blau zu vernwenden? Der Farbton wirkt etwas modisch, da wäre weniger Interpretation möglicherweise mehr gewesen. Am wenigsten überzeugen die Balkone - nur in der 90° Sicht wirken diese wirklich transparent, ein guter Teil der Fotos benutzt dieen Effekt. In der Schrägsicht ein schlichtes graues Band, der Bestand war zwar geschlossener, hatte aber durch unterbrochene Brüstungen und die querlaufenden Träger ein deutlich interessanteres Schattenspiel - und dieser äußerst schlichte Bau braucht diese Differenzierung und das Schattenspiel. Das ist etwas bedauerlich, aber man könnte sich z.B. beim "orangenen Haus" nochmal neu aufraffen, und etwas weiter arbeiten.