Im thüringischen Nordhausen sollte ein Plattenbauhof mit möglichst geringem Ressourceneinsatz saniert werden. Im Vordergrund stand die Energieeffizienz. Trotzdem – oder gerade deshalb – entstanden keine dicken Dämmschichten. Vielmehr führen hier einfache räumliche Anpassungen und ein dezentrales Energiekonzept zu klimagerechten und bezahlbaren Wohnungen.
Der Umbau des Ossietzky-Hofs war ein Projekt der IBA Thüringen. Im Rahmen dessen lobte die SWG Städtische Wohnungsbaugesellschaft Nordhausen 2018 einen Wettbewerb aus. Gewinnen konnte ihn eine Arge bestehend aus den Büros Hütten & Paläste, ZRS Architekten Ingenieure, eZeit Ingenieure und schönherr Landschaftsarchitekten (alle Berlin). Zwei Plattenbauten der WBS-70 wurden bereits saniert und umgebaut, das dritte Gebäude musste abgerissen werden. Künftig soll dieses durch einen Holzhybridbau ersetzt werden. Der bislang als Parkplatz genutzte Hof zwischen den drei Riegeln wird derzeit nach Plänen des Erfurter Büros plandrei Landschaftsarchitekten (LP 2-9) entsiegelt und begrünt.
Für die Planung des mittigen Plattenbaus, nun Ludwig genannt, waren Hütten & Paläste in den Leistungsphasen 1-5 verantwortlich, LP 6-8 übernahm das Büro Architekt Maurice Fiedler (Erfurt). Statt der konventionellen Dämmung entwarfen die Architekt*innen einen Klimapuffer. Dafür ersetzten sie die baufälligen Bestandsbalkone auf der Südseite durch vorgestellte Betonmodule. Mittels Faltglaswänden und Markisen lassen sie sich vom Balkon in einen Wintergarten verwandeln. Während der Baumaßnahmen konnten die Bewohner*innen in ihren Wohnungen bleiben.
Hütten & Paläste sprechen von einer „begehbaren Dämmschicht“. Gestalterisch sollen die vorgestellten Module, betont durch ihre wellenförmige Kontur, den seriellen Charakter aufgreifen. Zusammen mit drei Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss und 74 Wohnungen umfasst das Gebäude knapp 5.500 Quadratmeter Bruttogrundfläche bei Umbaukosten von gut 4,5 Millionen Euro. Auch Sophia, der östliche Plattenbau, bekam neue Balkone und wurde energetisch saniert. Auf weiteren rund 3.100 Quadratmetern beherbergt er 40 Wohnungen. Die Baukosten belaufen sich dort auf circa 4,7 Millionen Euro. Maurice Fiedler waren im Fall von Sophia für alle Leistungsphasen verantwortlich.
Im Ossietzky-Hof wird ein Quartierskonzept verfolgt auf Basis vernetzter Energiesysteme. Dabei setzt das verantwortliche Ingenieurbüro eZeit auf ein Paket sich ergänzender Technologien. Bestehende Fernwärme wird mit einem kalten Nahwärmenetz kombiniert, das bei deutlich niedrigeren Temperaturen betrieben wird und so weniger Wärmeverluste verzeichnet. Seine Energie bezieht dieses Nahwärmenetz aus regenerativen Quellen im Quartier selbst. Ein beachtlicher Anteil der Warmwassererzeugung wird über die Wärmerückgewinnung aus der Abluft der Bäder gedeckt.
Zum zentralen Bestandteil des Quartierkonzepts soll nach seiner Fertigstellung der als Energieplushaus konzipierte Ersatzneubau Franzi werden. Geplant ist neben Solarthermie ein saisonaler Erdspeicher, der überschüssige Energie der drei Bauten aufnimmt und verteilt. Voraussichtlich werden dann 44 Prozent der Energie für Heizung und Warmwasser im Ossietzky-Hof lokal produziert, der Rest stammt aus der Fernwärme.
Mit Blick auf die CO2-Bilanz müsse der Ressourcenaufwand für Gebäudehülle und Haustechnik im angemessenen Verhältnis zur eingesparten Betriebsenergie stehen, erklärt Taco Holthuizen von eZeit. Aktuelle Förderstrukturen bildeten das aber nicht unbedingt ab, sagt er. Die Dämmdicke ist dort ein maßgeblicher Faktor. Trotz weniger Fördergelder entschieden sich die Planer*innen hier für vergleichsweise geringe Dämmstandards nach KfW Effizienzhaus 85 und 100 im Bestand. (mh)
Fotos: IBA Thüringen/Thomas Müller
Zum Thema:
Im Rahmen einer Zoom-Reihe der IBA Thüringen haben die Projektbeteiligten den Ossietzky-Hof ausführlich vorgestellt. Vor allem das Energiekonzept wird detailliert erläutert.
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Kritiker | 23.09.2024 08:49 UhrWas ist jetzt nochmal hieran besonders oder Vorzeige?
Okay bei der Wohnungsbaureihe-Weimar (nicht wie oft geschrieben WBS 70) wurden die Balkone wie vorher angeschrägt neu gebaut, wahrscheinlich um die Wärmebrücken neu zu versetzen. Warum die bereits bestehende Thermische Trennung zwischen Tragschale und Balkonverankerung nicht einfach durch Einblasdämmung hinter die Tragschale verbessern? Abriss- und Neubau ist da ja mal wieder im Klimakiller bereich - oder wollte man mal wieder auf Teufel-komm-raus "gestalten"? Ansonsten 08/15 Sanierung mit ein bisschen mehr Energie-Anlagen Design.