Kleiburg ist der letzte noch weitestgehend im Original erhaltene, 400 Meter lange Abschnitt der Wohnstruktur Bijlmermeer im Südosten Amsterdams. 1962 von Siegfried Nassuth geplant, ereilte das von wabenförmigen Grundrissen geprägte Viertel sein Schicksal bereits während der Bauzeit: Die Utopie der vertikalen Gartenstadt mit Schnellbahnanbindung wurde vom Typus Stadtrandhäuschen abgelöst – das Bijlmermeer, so weit möglich, entsprechend diesem neuen Ideal überformt.
2012 bot der damalige Besitzer Rochdale den heruntergekommenen Kleiburg-Komplex des Architekten Fop Ottenhof für einen symbolischen Euro zum Verkauf – gebunden an die Bedingung, ein Modernisierungskonzept zu entwickeln, das kosteneffizienter als der Abriss sei. Vier Büros erarbeiteten damals Studien, die meisten verfluchten die Eintönigkeit der Wohnmaschine und sahen in Konzepten der Individualisierung den Ausweg aus der Wiederholung. Der nun fertiggestellte Gewinnerentwurf von NL Architects (Amsterdam) und XVW Architectuur (’s-Hertogenbosch/Amsterdam) zeugt hingegen von einem nahezu unerschütterlichen Glauben an die Nachkriegsmoderne – und der Liebe zur Wabe.
Als Architekten des Projektes de FLAT verwandelten die beiden Büros den Bau in ein Do-It-Yourself-Projekt. Hauptaugenmerk ihrer Sanierung lag auf der Freilegung und Optimierung der dienenden Struktur – der „Hardware“, der sie zu neuem Glanz verhelfen wollten. Die „Software“ – 500 Wohneinheiten – wurde lediglich entkernt und einzelnen Käufern zum Selbstausbau angeboten, wie es in den Niederlanden oft üblich ist.
Durch das Entfernen der externen Aufzugsschächte und anderer Anbauten aus den 1980er Jahren sowie die Integration der Schächte in die existierenden Treppenkerne wurde die Schlichtheit der Ursprungsform wieder freigelegt. Im bislang mit Lagerräumen besetzten Erdgeschoss brachten die Architekten – durch Umstrukturierung und Vergrößerung des internen Korridors – neue und höhere Gebäudeöffnungen ein, die mehr Leichtigkeit sowie eine freiere Durchwegung des umgebenden Geländes ermöglichen. Die Waschbetonfassaden, Brüstungen und Laubengänge wurden mittels Sandstrahl vom Schmutz befreit und in Kooperation mit dem Projektpartner Hollands Licht um ein bewegungssensorgesteuertes Lichtkonzept erweitert. Mit bernsteinfarbener Bedarfsbeleuchtung soll sich de FLAT vom grellen, kalten Erscheinungsbild vieler dauererleuchteter Großwohnsiedlungen abheben.
Um beim Ausbau der Wohnungen einem formalen Wirrwarr – wie es so oft am Ende von DIY-Projekten steht – entgegenzuwirken, entwickelten die Architekten – gemäß ihrer Entscheidung für die Einheitlichkeit – einen Katalog an Varianten. Zwei schlichte Wohnungstypen lassen sich horizontal oder vertikal zusammenlegen, Grundrisse mithilfe eingezogener Wände personalisieren. Auch für die Eingangssituationen auf den Laubengängen existiert eine Auswahl an Fenster-Tür-Kombinationen.
Auffällig im Vergleich zur Ankündigung des Umbaus ist hier der Materialwechsel. Prägten 2012 noch helle Hölzer die Eingangsbereiche der Wohnungen und wurden als taktile, freundliche Verbesserung angepriesen, erscheinen alle Rahmen nun dezent grüngrau beschichtet. Lediglich die Handläufe der Brüstungen wurden in einem warmen Holz gefertigt, dessen dunkler Ton sich jedoch bestens in die Gesamterscheinung des Baus einfügt.
Auch wenn de FLAT unter den 5 Finalisten zum Mies-Award 2017 rangiert, scheint sich die Begeisterung der Architekten für das sanierte Objekt an manchen Stellen – etwa dem die Waben des Masterplans zitierenden Muster der Sichtschutzinstallationen – sehr im Klein-Klein der Details verlaufen zu haben. Bleibt zu hoffen, dass die neuen Bewohner de FLAT endgültig mit Leben zu füllen vermögen. Nicht dass das Gebäude ideologisch abermals scheitert – und in einigen Jahren vom gleichen etwas wehmütigen Flair umgeben wird, wie die Bijlmermeer mit Innenstadt und Hafen verbindende, retrofuturistische Hochbahntrasse. (kms)
Fotos: Stijn Poelstra, Marcel van der Burg
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