Der Bildband Sacred Modernity. The Holy Embrace of Modernist Architecture war nach seinem Erscheinen Anfang des Jahres schnell vergriffen. Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft ist nun die zweite Auflage dieses bemerkenswerten Buches des Fotografen Jamie McGregor Smith erhältlich.
Wobei die Publikation an sich vielleicht gar nicht so bemerkenswert ist. Sie hat ein klassisches Querformat und präsentiert in schöner, ruhiger Ordnung ganzseitige Fotos. Insgesamt 98 Kirchen in Europa fotografierte Smith für sein Buch. Schwerpunkte bilden Österreich, Deutschland und Italien. Hinzu kommen Großbritannien, die Schweiz, Polen, Tschechien, Portugal und San Marino. Corona habe ihn kurz nach seinem Umzug nach Wien dazu gebracht, Kirchen zu fotografieren, schreibt Smith in seinem Vorwort. Denn als alles geschlossen war, standen sie weiterhin offen.
Das Ergebnis dieses Corona-Erlebnisses sind handwerklich exzellente Farbfotografien, die Raum, Materialität und Licht zu einem atmosphärischen Ganzen verdichten und dabei trotzdem überraschend sachlich bleiben. Das Foto als Medium nimmt sich geradezu zurück, um im besten Sinne die Aufmerksamkeit auf den repräsentierten Gegenstand zu lenken. Man meint tatsächlich, in oder vor den Bauten zu stehen und begreift sofort, worum es den Architekten ging. Dafür benötigt Smith je nur eine einzige Innenaufnahme oder eine strenge Kombination von einer Außen- mit einer Innenaufnahme.
Der spätmoderne Kirchenbau war bekanntlich ungemein vielschichtig und voller Freude an architektonischen und konstruktiven Experimenten. In neun inhaltlich und formal bestimmten Kapiteln (Apophatische Theologie, Beleuchtung, Omnipräsenz, Heiligtum, Arche, Höhlen, Transzendenz, Magistral, Inkarnation) ordnet Smith die Fundstücke seiner Reisen quer durch Europa, stellt Verbindungen her und lädt dazu ein, über Metaphysik, christlichen Glauben und Architektur nachzudenken. Essays des in Wien lehrenden Architekten und Kirchenforschers Ivica Brnić und des britischen Autors Jonathan Meades runden den Band ab, der konsequent zweisprachig Englisch/Deutsch gehalten ist, auch wenn der Titel anderes suggeriert.
Text: Gregor Harbusch
Sacred Modernity. The Holy Embrace of Modernist Architecture
Jamie McGregor Smith
Englisch/Deutsch
208 Seiten
Hatje Cantz, Berlin 2024
ISBN 978-3-7757-5646-4
54 Euro
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Arcseyler | 13.12.2024 14:33 Uhr.de
Wer immer noch meint, daß die Moderne nicht bis in den Kern transzendent ist, bekommt hier die Antwort. Freieres Suchen zeigt sich in keinem anderen Bautyp.Transzendenz=Übersteigen ist hier die Eskalation ins Unbegrenzte.