Das historische Beaux-Arts-Empfangsgebäude des Bahnhofs Union Station in Denver im US-Bundesstaat Colorado ist stehengeblieben, der Rest ist neu: Das Büro SOM Skidmore Owings Merrill (New York) hat auf ehemaligem Gleisland am Rande des Geschäftszentrums der Stadt einen urbanen Verkehrsknotenpunkt geschaffen, der Busse, schienengebundenen Nahverkehr, Pendlerzüge, Fernzüge sowie Radfahrer und Fußgänger „orchestriert“, wie die Architekten schreiben.
Im Zentrum dieser Elemente sticht die offene Bahnsteighalle hervor, die als effiziente und expressive Hülle die Gleise beschirmt. Die Primärkonstruktion besteht aus elf stählernen Bogenbindern mit einer Spannweite von jeweils 60 Metern, die mit einem PTFE-Gewebe bespannt sind. Das Dach schwingt sich an beiden Enden dynamisch auf eine Höhe von 22 Meter auf, während es in der Mitte nur acht Meter hoch ist. Damit schützt es die Bahnsteige vor Niederschlag, während es die Sichtachsen auf das historische Bahnhofsgebäude freihält. Die Züge nach San Francisco und Chicago ziehen hier täglich an SOMs „Baldachin“ vorbei. Für 2016 und 2018 ist die Eröffnung von zwei Pendlerlinien geplant.
Das neue Schienennahverkehrsnetz, das seit seiner Eröffnung 2012 10.000 Passagiere werktags befördert, wird von der Bahnsteighalle mittels einer belebten, zwei Gebäudeblocks langen Fußgängerpassage erreicht. Fußgängerwege und öffentliche Räume verbinden die untere Downtown im Osten und neuere Wohngebiete in den anderen Himmelsrichtungen mit dem Verkehrsknoten. Unterirdisch wird schließlich an 22 Bussteigen der Busverkehr abgewickelt. Lebendige Farben und natürliches Licht sollen den Fahrgästen die Orientierung erleichtern.
Als eine der größten Maßnahmen dieser Art in den USA möchten die Architekten die Revitalisierung des früheren Gleisfeldes als „Fallstudie für die Kraft eines verkehrsorientierten Städtebaus“ verstanden wissen. Es wurde errechnet, dass der neue Bahnhof bereits private Investitionen in Höhe von einer Milliarde Dollar in der Umgebung ausgelöst hat. Die Architekten resümieren: „Sensibel gegenüber dem historischen Ort, aber strikt nach vorne blickend in seiner technischen Haltung, setzt Denvers Union Station die Standards für Verkehrsknoten des 21. Jahrhunderts.“ (-tze)
Fotos: Robert Polidori
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Jörg Rügemer | 05.06.2014 06:00 UhrFallstudie Union Station
Was die Klobigkeit des Tragwerkes angeht, haben die Amerikaner oftmals leider kein Gefühl und Verständnis für das Detail. Was die Zukunft der Bahn im Mittleren und Südwesten der USA angeht, ist ablesbar an der Tatsache, dass die Strecken in einem neuen Bahnhof nicht elektrifiziert sind - wie soll ein ernstzunehmendes Hochgeschwindigkeitsbahnnetz - eventuell in Konkurrenz zum Flugverkehr entstehen, wenn nach wie vor auf langsame Dieselzüge gesetzt wird?