Wenn alles Bauhaus ist, ist Bauhaus plötzlich nichts – jedenfalls nichts historisch Spezifisches. Dieser Eindruck drängte sich im Jubiläumsjahr der weltberühmten Schule immer wieder auf. Fast schien sie erdrückt zu werden von all den Events, Büchern, Ausstellungen, Filmen und Diskussionen. Selbstverständlich gab es Substantielles, aber eben auch viel zu viele Trittbrettfahrer. Und: Warum ging es eigentlich so oft um die Anschlussfähigkeit und Aktualität der Schule? Kann man ein historisches Phänomen nicht als ein solches kritisch würdigen? Muss man es geradezu penetrant mit kreativer Verwertungslogik angehen?
Was bleibt also vom Bauhausjahr? In erster Linie zwei Museumsneubauten, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Das Bauhaus-Museum in Weimar von Heike Hanada aus Berlin und das Bauhaus Museum Dessau des jungen spanischen Büros addenda architects. Berlin kommt mit seiner Sanierung und Erweiterung des Bauhaus-Archivs durch Staab Architekten mal wieder zu spät, zeigte aber mit Bauhaus Imaginista im Haus der Kulturen der Welt eine der interessantesten großen Ausstellungen. Doch auch diese musste sich die Frage gefallen lassen: Wurde denn wirklich die halbe Moderne global vom Bauhaus beeinflusst?
Demgegenüber dürften die Publikationen zu Hannes Meyer die wichtigste Tiefenbohrung gewesen sein. In zwei Büchern zum lange verdrängten zweiten Bauhaus-Direktor findet man die Ergebnisse langjähriger Forschungen, die die Geschichte des Bauhauses um ein wichtiges Kapitel ergänzen. Weitgehend verdrängt blieben das ganze Jubeljahr hindurch die Komplexitäten und die etwas dunkleren Seiten des Bauhauses. Wie viel hätte man über politische Verwerfungen, latenten Rassismus und obskure Esoterik, falsch verstandene Emanzipation und Karrieren quer durch die Systeme erzählen können...
Vor diesem Hintergrund muss man es als Glücksfall sehen, dass das historische Bauhaus nur 14 Jahre bestand. Denn das bedeutet, dass sich 2033 die Schließung der Schule zum 100. Mal jährt. Junge Historikerinnen und Kuratoren werden diesen Moment dann hoffentlich zum Anlass nehmen, neue Perspektiven auf die Schule zu werfen und die Fehlstellen zu bearbeiten, die in diesem Jahr so seltsam unterbelichtet blieben. Gedulden wir uns also ein wenig und setzen wir auf Fragen und Methoden der kommenden Bauhaus-Forscherinnen! (gh)
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Teaserbild: „Dessau Bauhausköpfe“ aus dem Bauhaus-Fotoalbum von Fritz Schreiber. Copyright: Stiftung Bauhaus Dessau