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01.12.2017

Buchtipp: Nachkriegsmoderne

Rudolf Schwarz and the Monumental Order of Things


Auch wenn es sich noch nicht so anfühlt: Weihnachten steht vor der Tür. Höchste Zeit also, sich um Geschenke zu kümmern. Für einen möglichst gezielten und entspannten Gang zum Buchladen hat BauNetz etwas vorbereitet: Bis zum Fest stellt die Redaktion ihre Entdeckungen des Jahres vor. Ab heute jeden Tag ein Buch, rein subjektiv und querbeet ausgewählt – da ist für jeden was dabei.

Wer heute ein Buch über historische Architektur aufschlägt, darf sich fast immer über hervorragend reproduziertes Material aus Archiven freuen. Die Qualität des originalen Blatts steht hoch im Kurs, sicherlich auch deswegen, weil das analoge Artefakt in Zeiten der Digitalisierung einen neuen Wert bekommt. Bei der von Adam Caruso und Helen Thomas herausgegebenen Monographie Rudolf Schwarz and the Monumental Order of Things ist das anders. Neun Bauten werden in dem großformatigen Buch präsentiert – und immer dominiert der heutige Blick.

Dass man Bauten für ein Buch neu fotografieren lässt ist nicht unbedingt überraschend. In diesem Fall ist es die Tessiner Fotografin Hélène Binet, deren durchgängig ganzseitig gezeigten Fotos die architektonischen Qualitäten und den guten Erhaltungszustand der Bauten atmosphärisch ins Bild setzen. Weitaus ungewöhnlicher ist es, dass die Herausgeber Nachzeichnungen der Pläne anfertigen ließen. Hierin liegt die eigentliche Faszination des Buches. Durch die exzellent ausgeführten Zeichnungen von Nike Himmels wird den Bauten ein Stück weit ihre Historizität genommen – und zwar im positiven Sinne. Fast alle Zeichnungen werden je über eine gesamte Doppelseite ausgebereitet. Minutiös und detailliert spiegeln sie eine genaue Auseinandersetzung mit den Bauten wider. Nachzeichnen als ein Mittel der Erkenntnis ist eine didaktische Technik, die man eher mit vormoderner Architektenausbildung verbindet. Umso interessanter ist es, zu sehen, dass Schwarz durch die Zeichnungen wie aktualisiert erscheint. Die Grundrisse, Ansichten und Schnitte im Maßstab 1:150 oder 1:200 ziehen den Blick geradezu magisch an. Proportionen, Raumfolgen und Details wollen studiert und nachempfunden werden.
 
Aber warum Schwarz? Der katholische Kirchenbauer (1897–1961), der vor allem im Rheinland tätig war, ist die dritte Position der europäischen Nachkriegsmoderne, der sich Caruso und Thomas in einer kleinen Reihe großzügig ausgestatteter Bücher angenommen haben. Alle drei Bände entstanden am Lehrstuhl von Caruso an der ETH Zürich und sind im universitätseigenen gta Verlag erschienen. Den Auftakt bildete 2013 ein Band zu Fernand Pouillon (1912–86), dem französischen enfant terrible der Nachkriegsmoderne, der unter anderem durch seine monumentalen Wohnblocks aus massiven Steinquadern in Marseille, Algier und Paris berühmt wurde. Ein Jahr später erschien ein Band zum Mailänder Duo Mario Asnago (1896–1981) und Claudio Vender (1904–86), die ebenfalls für eine Nachkriegsmoderne jenseits des International Style stehen. Und nun also Schwarz, der sich nicht zuletzt durch seine vielleicht etwas unglücklich formulierte Attacke gegen Walter Gropius und das Bauhaus im Jahre 1953 als klarer Gegner einer glatten, durchrationalisierten Moderne exponierte.
 
Neun Bauten werden in dem großformatigen Buch vorgestellt. Zwei Kirchen aus der Zwischenkriegszeit, fünf Kirchen aus den Fünfzigerjahren sowie zwei wichtige Profanbauten in Köln: Die Festhalle des Gürzenich und das Wallraf-Richartz-Museum. Schwarz war modern und zugleich regionalistisch orientiert. Seine Bauten zeichnen sich durch originelle Details, aufregende Materialkontraste und eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Geschichte aus. Gerade an den wichtigen Kirchen aus der Nachkriegszeit sieht man, dass Pathos und Abstraktion, sachliche Klarheit und atmosphärische Wärme keine Widersprüche für Schwarz waren, sondern dass er sie auf eigenwillige und souveräne Weise synthetisierte.

Durch das aktuelle Buch wird Schwarz auch international besser greifbar, denn es handelt sich um die erste große Veröffentlichung in englischer Sprache. Neben einem Interview Maria Conens mit der Witwe Maria Schwarz findet man in dem Band unter anderem drei ins Englische übersetzte Kapitel aus Wolfgang Pehnts Schwarz-Monographie von 1997, Projekttexte des Architekten sowie seinen programmatischen Vortrag „Die Baukunst der Gegenwart“ aus dem Jahr 1958. Historischer und zeitgenössischer Blick ergänzen sich und laden zu einer lustvollen Neuentdeckung der Architektur von Schwarz ein.

Text: Gregor Harbusch

Rudolf Schwarz and the Monumental Order of Things
Adam Caruso, Helen Thomas (Hg.)
Zürich, gta Verlag 2016
334 Seiten, 163 Abbildungen und Pläne
85 Euro


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Gestaltet wurde das Buch vom Zürcher Büro Moiré.

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