„Der Gegenwind war stark. Hoch schlug die Welle der Emotionen.“ – Im Juni 2013 sprach Kanzlerin Angela Merkel diese Worte im Rahmen des symbolischen Beginns des Umbaus und der Erweiterung des Deutschlandhauses in Berlin-Kreuzberg. Hinter dem denkmalgeschützten Bestand aus den Zwanziger- bis Dreißigerjahren bauen Marte.Marte Architekten (Feldkirch/Österreich) ein modernes Museum, in dem das Dokumentationszentrum der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zukünftig Dauer- und Wechselausstellungen zeigen wird. Gestern wurde nun Richtfest gefeiert. Inhaltliche und personelle Unstimmigkeiten in der Stiftung schlugen in den Jahren seit Baubeginn weitere Wellen, auch die Baukosten sind gestiegen.
Ein großzügiges Atrium in Sichtbeton mit Panoramablick und Holzmöbeln, eine „Lichtfuge“ zwischen Denkmalsubstanz und Erweiterung – der im internationalen Wettbewerb prämierte Entwurf von Marte.Marte trifft den Zeitgeschmack und die etwas karge Anmutung des Raumes passt zum Thema des Museums. Neben den frei bespielbaren Ausstellungsflächen wird es einen öffentlichen Lesesaal mit Bibliothek, ein Archiv mit Zeitzeugenberichten, Veranstaltungsräume sowie einen „Raum der Stille für das individuelle Gedenken“ geben, so das Bundesamt für Raumordnung in der Presseerklärung.
Ein Karren in der Visualisierung lässt sich mit der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten assoziieren. Das ewige Streitthema hat den ehemaligen Stiftungsdirektor Manfred Kittel den Posten gekostet. Er wollte „die Vertreibung der Deutschen aus Polen ganz ohne die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs“ darstellen, wie der Tagesspiegel berichtete. Mit einem neuen internationalen Beratergremium, für das kein polnischer Vertreter gewonnen werden konnte, steht die neue Direktorin Gundula Bavendamm nun vor der Aufgabe, die Wogen zu glätten. Die Gestaltung der ständigen Ausstellung übernimmt das Atelier Brückner (Stuttgart), dessen Konzept das „Haus als Leitmotiv nutzt und es gestalterisch in den einzelnen Ausstellungskapiteln variiert.“
Für die um 15 Millionen erhöhten Baukosten und die Verschiebung der Fertigstellung auf 2018 – ursprünglich sollte sie schon in diesem Jahr stattfinden – ist die Stiftung allerdings nicht verantwortlich und auch nicht das Architekturbüro. Das historische Gebäudeensemble aus Europa- und Deutschlandhaus im Stile der Neuen Sachlichkeit, das auch über expressionistische Elemente verfügt, sorgte während der Bauarbeiten schlicht für einige Überraschungen. Nicht nur die Architektur gewinnt so Zeit zu reifen, sondern auch das Ausstellungskonzept. Angesichts der aktuellen Brisanz des Themas bleibt zu wünschen, dass das letzte Wort im langen Namen der Stiftung – Versöhnung – zwischenzeitlich noch etwas Wirkung entfaltet. (dd)
Fotos der Baustelle: Hans Martin Sewcz
Zum Thema:
Mehr von Bernhard und Stefan Marte über das Deutschlandhaus auch im Interview anlässlich ihrer Ausstellung Appearing Sculptural: „Eher Mittelalter als Science Fiction“
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maestrowec | 19.10.2016 09:06 UhrDeutschlandhaus jetzt "von" Marte.Marte?
Ist das Deutschlandhaus nun nicht mehr von Bielenberg und Moser erbaut? Die Nachricht ist recht eigentlich ein bisschen irreführend. Zumal auch das genannte Büro gar nicht mit der Baudurchführung betraut zu sein scheint. Eine Meldung von verbesserungsfähiger Informationsdichte, wenn Sie diese Bemerkung gestatten...