Wiener Neustadt ist nicht etwa ein Teil von Wien, sondern eine rund fünfzig Kilometer von der österreichischen Hauptstadt entfernt gelegene Kleinstadt. Als Teil der ehemaligem Stadtbefestigung aus dem 12. Jahrhundert, hat sich hier eine für Österreich einzigartige architektonische Besonderheit erhalten: Die Kasematten, eine Anlage weitläufiger Gewölbekeller. Sie wurden ursprünglich für die Einlagerungen von Kriegsgerät errichtet und nach dem ersten Weltkrieg „für zivile Zwecke umgebaut“. Soll heißen, vor 1936 wurde hier Bier gelagert, danach wurde die Anlage zum Luftschutzkeller umfunktioniert. Da Wiener Neustadt im nicht umsonst so genannten Industrieviertel Niederösterreichs liegt, eine dementsprechend hohe Konzentration an Rüstungsbetrieben aufwies und zudem ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt war, wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört. Auch die Kasematten wurden beschädigt und waren seitdem nicht mehr zugänglich.
Im Rahmen der Niederösterreichischen Landesausstellung 2019 wurden die Neustädter Kasematten einer Generalsanierung unterzogen. Das Büro bevk perović arhitekti aus Ljubljana gewann den 2016 ausgeschriebenen Wettbewerb für die Sanierung und ergänzte die Anlage um ein Café und einen mulitfunktionalen Museumsbau – die sogenannte Neue Bastei. In ihrer Pressemitteilung beschreiben die Architekten die Neue Bastei als „a kind of Kunsthalle space“. Nach der Landesausstellung werden die Kasematten als Veranstaltungs,- Kultur,- und Kongresszentrum genutzt. Den Besuchern zeigen sie sich heute als bestens erhaltene Gewölbestruktur, die teilweise als Ziermauerwerk Opus Spicatum ausgeführt wurde. Beachtlich ist auch die einzigartige „Strada Coperta“. Bevk Perović ergänzten die historischen Bauteile der gemauerten Gewölbekeller mit zeitgenössischen Elemente aus Sichtbeton, der in seiner Materialität einen eindrücklichen Kontrast zur historischen Bausubstanz der heute weiß gekalkten Gewölbe bildet.
Gelungen ist auch der Zugang: Von der Bahngasse werden die Besucher über eine sanft abfallende Rampe hinunter in die Anlage geleitet und gelangen durch das Labyrinth der Kasematten in die multifunktionale Neuen Bastei. Diese liegt wiederum oberirdisch und wird über ein charakteristisches Sheddach mit Tageslicht versorgt. Die silbrige Metallfassade des Baus schafft einen spannenden Kontrast zu den erhalten gebliebenene, oberirdischen Mauerresten der Kasematten. Das unterirdische Labyrinth wird durch einen städtischen Ausstellungsraum bespielt, der derzeit eine Schau zum Thema Mobilität zeigt. 2020 soll die Regisseurin Anna Maria Krassnig mit ihrem Theaterkonzept Wortwiege in die Kasematten übersiedeln. (tl)
Fotos: David Schreyer
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auch ein | 28.10.2019 16:21 Uhrarchitekt
sehr schön gemacht,
alt und das neue nicht gekünstelt als kontrast überzeichnet wie so oft sondern als wäre es immer so gewesen.
und der neubau "als wärs ne kunsthalle" ist besser als viele die sich so nennen.....
und das rote einbaumöbel ist klasse!