Der aktuelle Hype um postmoderne Architektur ist auf dem Weg zum digitalen Massenphänomen. Facebook-Gruppen wie „The Postmodern Society“ oder die 2014 von Oliver Elser initiierte „The Postmodernism Appreciation Society“ begeistern längst auch das fachfremde Publikum. Das kürzlich bei RIBA Publishing erschienene Buch Revisiting Postmodernism gibt einen Überblick der „ganzen Geschichte“ der Postmoderne als kulturelles Phänomen. Architekten können bei der Lektüre der reich bebilderten und mit unzähligen Referenzen saturierten Publikation viel lernen.
Sie gliedert sich in zwei Teile. Die ersten drei Kapitel schrieb der 80-jährige britische Architekt Terry Farrell, dessen Bauten wie etwa das MI6 Building in London zu internationalen PoMo-Ikonen wurden. Drei weitere verfasste der der 35-jährige, ebenfalls aus Großbritannien stammende Designer Adam Nathaniel Furman, den man als Neo-Postmodernisten beschreiben kann.
Farrel schreibt in der Ich-Form. Er stellt anhand individueller Erfahrungen und persönlicher Begegnungen die wichtigsten Vertreter und Projekte der Postmoderne vor. Er erzählt, wie all das Einfluss auf seine eigene Arbeit hatte und wie er die Hochphase der Postmoderne als praktizierender Architekt erlebte. Seine Analysen sind durch Anekdoten und detaillierte Beschreibung eigener Bauvorhaben unterbrochen, die man ihm – in Kenntnis seiner Rolle als Zeitzeuge – ähnlich wie bei einem erzählenden Großvater gerne vergibt.
Furman hingegen hat Distanz. Er schreibt mit architektur- und kunsthistorischem Blick und liefert eine Perspektive durch die Linse des 21. Jahrhunderts. Seine Fallstudien und Analysen von Debatten sind präzise und gut recherchiert, sodass ein Eindruck von Vollständigkeit entsteht – gleichzeitig aber sind sie so eklektisch und dicht, dass man beim Lesen das Gefühl bekommt, durch die Bilder seines Instagram-Accounts zu scrollen.
Warum ist dieses Buch jetzt relevant? Postmoderne Gebäude werden älter, viele müssen modernisiert werden. Doch zahlreiche Eigentümer reißen bekanntermaßen lieber ab, statt kostenintensiv zu renovieren. 2017 stieß die denkmalpflegerische Unterschutzstellung von James Stirlings One Poultry in London eine Diskussion über den Wert von Großbritanniens postmoderner Architektur an. Die Debatte um Snøhettas geplante Modernisierung des AT&T Building von Philip Johnson in New York weist in eine ähnliche Richtung.
Publikationen wie Revisiting Postmodernism fördern und fordern eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem architektonischen Erbe der Postmoderne. Sie ergänzen die Wirkkraft von Internetphänomenen, die durch Bilder auf Instagram oder Facebook auch außerhalb von Architektenkreisen für eine gesellschaftliche Akzeptanz jüngerer Baustilepochen werben.
Text: Daniel Felgendreher
Revisiting Postmodernism
Sir Terry Farrel und Adam Nathaniel Furman
Riba Publishing, London 2017
224 Seiten
Englisch
ISBN 978-1859466322
35 Pfund (circa 42 Euro)
Zum Thema:
Die Protagonisten der Postmoderne melden sich zu Wort. Vergangene Woche äußerte sich Charles Jencks in der Baunetzwoche #509. Er ist nicht nur von der Aktualität der Postmoderne überzeugt, sondern auch heilfroh, dass Snøhetta dem AT&T Building in New York endlich einen wirklich postmodernen Sockelbereich verschaffen wollen.