Heute feiert Katar die
Eröffnung seines Nationalmuseums in der Hauptstadt Doha. Während alle Augen auf die spektakuläre Architektur von
Ateliers Jean Nouvel gerichtet sind, eröffnet mittendrin nun auch das Hauptexponat des Museums: der alte Herrscherpalast von Scheich Abdullah bin Jassim Al Thani, dem Sohn des Gründers des modernen Katar. Unter Leitung von
Sylvain Rocher und
Andreas Pohl vom Büro
ZRS Architekten Ingenieure (Berlin) wurde die Anlage denkmalgerecht saniert. Die Arbeiten, die zeitgleich mit dem Neubau begonnen hatten, sind zwar bereits seit Ende 2014 abgeschlossen, doch mit der Eröffnung wartete man auf die Fertigstellung des Neubaus, der sich mehrere Jahre verzögert hatte.
Die Geschichte des Herrscherpalastes geht auf drei Bauabschnitte zwischen 1880 und 1972 zurück. Früher lebte in dem Komplex mit seinen elf Gebäuden, der auch Regierungssitz war, die königliche Familie. Mitte der 70er Jahre richtete man hier das erste Nationalmuseum in den arabischen Ländern ein, stellte Vitrinen in die Wohnräume und erzählte die Geschichte des jungen Landes. Das Museum erhielt damals einen Preis in der allerersten Runde des frisch gegründeten Aga-Khan-Award für Architektur im Kontext muslimischer Kultur. Wie sich jedoch herausstellte, verdiente die Architektur diesen Preis weniger als die Institution. Auf die traditionell mit Corallensteinen und lehmhaltigem Mörtel errichteten Bauten hatte man in den 70er Jahren Zementputz aufgebracht und Betonelemente angefügt. Letztere korrodierten mit der Zeit, die Feuchtigkeit konnte über den dichten Zementputz nicht verdunsten, stieg in den Wänden nach oben und zerstörte mit Hilfe von Termiten die Holzbauteile im Dach.
Ziel der Sanierung war es deshalb, den Palast im Einklang mit den internationalen Standards des Denkmalschutzes wiederherzustellen. So haben ZRS Architekten Ingenieure, die bereits an der Sanierung mehrerer ähnlicher Anlagen in
Al Ain und Abu Dhabi beteiligt waren, dafür gesorgt, dass die originale Substanz heute ohne Klimatechnik präsentiert wird. Unter denkmalpflegerischer Beratung von
Johannes Cramer und mit den Restaurator*innen
Karen Keller,
Kristina Brakebusch und
Bertram Jechorek haben sie das historische Mauerwerk verpresst und stabilisiert, karbonisierte Betonelementen durch glasfaserverstärkte Kalkelemente ersetzt, Verzierungen repariert und Gründung und Decken verstärkt, um einerseits Schäden durch die Baustelle des Neubaus zu verhindern und andererseits die Konstruktion für die hohen Besucherzahlen zu ertüchtigen.
Diese Kombination aus modernen Konstruktionslösungen und Respekt vor den traditionellen Materialien und Techniken mag hierzulande vielerorts gängige Praxis von Sanierungsmaßnahmen sein, für die Denkmalpflege in Katar setzt sie neue Standards. Im Gegensatz zum Museumsneubau steht der Palast für die traditionelle Baukultur des Landes. Im ganzen Brimborium der schönen neuen High-Tech-Welt verleiht er dem reichen Erbe des Landes eine klare Stimme.
(fm)
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
3
Laura | 29.03.2019 11:23 UhrKlare Stimme des reichen Erbes
Wie angenehm, stimmig und schön. Doch leider nun vom "Formengewitter" von Nouvel fast erschlagen.