Ein Kommentar von Wolfgang Kil
Neues vom Potsdamer Brauhausberg! Im jahrelangen erbitterten Streit um Erhalt oder Abriss des „Minsk“ hat es einen Durchbruch gegeben. Die einst strahlend weiße Terrassenanlage mit dem einmaligen Ausblick über die Silhouette der Innenstadt war bis zur Wende eines der begehrtesten Restaurants in Potsdam und Umgebung. Inzwischen zum Eldorado der Grafitti-Szene verkommen, soll die Ruine nun vom Software-Unternehmer Hasso Plattner erworben werden. Er will sie in ihre ursprüngliche Erscheinung zurückführen und dann zum privaten Museum für seine Sammlung von DDR-Kunst machen.
Die Erleichterung in der Potsdamer Lokalpolitik über die unverhoffte Wendung ist riesig, denn die Auseinandersetzungen um den äußerst rüden Umgang mit dem Erbe der DDR-Architektur haben das bürgerschaftliche Klima in Brandenburgs Landeshauptstadt von Abriss zu Abriss immer weiter verschlechtert. Unterstützt von einer einflussreichen Lobby zugezogener Bestverdiener hatten sich gut vernetzte Historienfreunde mit der Wiederkehr von Schloss und barockem Altmarkt nicht zufriedengeben können, sie stießen auch noch die Beseitigung der modernistischen Fachhochschule zugunsten einiger Stadthäuser auf vermeintlich historischem Parzellenplan an. Ihre „Preußenresidenz“ hat mittlerweile gute Aussicht, nach Dresden und Frankfurt am Main, zum nächsten Hotspot der Schöne-neue-Altstadt-Bewegung zu werden.
Die Deutlichkeit, mit der sich der langjährige Oberbürgermeister Jann Jakobs stets auf die Seite der Rekonstruktionsfreunde gestellt hat, legt es nun für Nachfolger Mike Schubert offenbar nahe, schon nach wenigen Amtswochen auch architekturpolitisch Flagge zu zeigen. Allerdings weht sie in eine andere Richtung: Angesichts der notorischen Frage „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ sollen unter seiner Regentschaft nun Häuser von DDR-Architekt*innen endlich eine Chance bekommen, als Werke der Baukunst zu gelten. Schuberts Neuauffassung für dieses bauliche Erbe teilt nun auch Hasso Plattner. Der Retter des Minsk, wohlbemerkt, gehörte bislang eher zu den Unterstützern einer Rekonstruktion in Potsdam, er finanzierte Teile des Stadtschlosses und ließ nebenan das barocke Barberini Palais wiederaufbauen. In der Lokalpresse wird der mit Plattner vereinbarte Überraschungscoup geradezu hymnisch als „Akt der Versöhnung“ gepriesen, als Geste „des Respekts vor der Geschichte und der Lebensleistung der Ostdeutschen“. Eine Zeitenwende? Wohl eher ein Indiz: Wie tief müssen die Gräben in Potsdams Bürgerschaft inzwischen sein, was für Wunden müssen die Kontrahenten einander geschlagen haben!
Ein kurzer Blick auf die Pläne: Der Kunstmäzen rettet ja nicht nur ein grob vernachlässigtes Objekt der Baukultur, sondern hat gleich ein ansehnliches Stück Wiese hinzugenommen, um darauf mit Wohnbauten vermutlich die Museumskosten etwas aufzuwiegen. Dagegen ist wenig zu sagen, denn der Brauhaus-Hang, dieser verschwenderische Stadtbalkon, ist als herrliche Stadtlandschaft längst ruiniert, seit die Stadtwerke für dessen Parzellierung sorgten, um vom Verkaufserlös den Badetempel „blu“ zu finanzieren. Der steht nun da, wahrlich das Schlusslicht unter allen brandenburgischen Architektursünden, und verunklart die übrigen Grünflächen in einer Weise, dass von naturräumlichem Zusammenhang, vor allem mit Blick hinüber zur Stadt, keine Rede mehr sein kann. Da macht es wohl Sinn, das letzte verbliebene Relikt der DDR-Hanginszenierung neu zu verorten, damit es als künftiges Museum sich nicht unversehens im Hinterhof des Badeungetüms wiederfindet. Die Restfläche mit dem „Minsk“ zur nächstgelegenen Straße zu orientieren, erscheint also einleuchtend, und Wohnungsbau als raumbildende Kulisse klingt allemal vernünftig. Nur zeichnet sich da ein städtebauliches Projekt ab, für das ein regulärer Wettbewerb dringend geboten ist. Auch wenn der Mäzen hier als privater Investor auftritt, sollte ihm so viel stadtentwicklerische Verantwortung abzuverlangen sein.
Dann noch ein letzter Gedanke: Natürlich kann eine Stadt von Glück reden und soll Dankbarkeit zeigen, wenn unter ihren Bürgern sich Wohltäter finden, die für öffentliche Prestigeprojekte oder die Förderung von Kunst und Kultur auch mal tiefer in ihre Privatschatulle greifen. Aber gerade im Streit um stadtbildprägende Rekonstruktionsvorhaben, selbst bei den „Schlössern“ in Potsdam und Berlin, sind es häufig Großspender, die letztlich den Ausschlag geben, nach der Devise: Wer die Vergoldung bezahlt, kriegt seinen Barock. Dass im Fall „Minsk“ von solchem Gebaren auch mal die Ostmoderne profitiert, ändert an der Schieflage nichts. Wenn reiche Onkels wirklich großherzig wären, warum machen sie es nicht wie jener legendäre Anonymus, der alljährlich die Stadt Görlitz mit einem Halbmillionen-Scheck beglückte? Also das Geld in einen Topf geworfen, den die Kommune für derartige Notgroschen unterhält – dann nämlich dürfte sie selber bestimmen, wo Rocaillen imitiert und wo Betonraster aufgefrischt werden. Solche Form von Bürgerverantwortung braucht dem Bourgeois nicht zu schmeicheln, sie ermutigt den Citoyen. Was stattdessen, nicht nur in Potsdam, zunehmend um sich greift, ist, bei allem Respekt für Hasso Plattners große Gesten, Almosen-Kultur. Dass allerdings der Stadt ohne solche Fremdinitiative für das „Minsk“ einfach keine tragfähige Überlebensidee einfallen wollte, ist das eigentliche Armutszeugnis.
Fotos: Vera Futterlieb, Heinle Wischer und Partner, Barbara Plate, Jacoby, (re)vive Minsk
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.,- | 02.04.2019 09:43 UhrGutmenschen
Bei allem Gerede von der Großzügigkeit sollte man bedenken das es sich wohl um ein Invest handelt, was letztendlich durch den Wohnungsbau ein Gewinn von 12-24 mio. EUR generieren wird.
Ich hoffe die Stadt ist so schlau die Verträge so zu gestalten das die Sanierung auch passiert und und nicht zufällig die totale Hinfälligkeit der Maßnahme beim Umbau entdeckt wird.
Lieder sind Investoren meistens schlauer als die Ämter.
Viel Erfolg!