Umbau ist das Gebot der Zeit. Die nächsten Jahre dürften einen echten Paradigmenwechsel mit sich bringen. Oft wird dieser als geradezu radikale Neuausrichtung des gesamten Bauwesens propagiert. Historiker*innen wissen freilich, dass vieles weit weniger radikal und neu ist als man gemeinhin denkt. Fast alles wurde bereits früher gedacht oder getan, wenn auch (selbstverständlich) unter anderen historischen Bedingungen.
Ein hervorragendes Beispiel dafür ist der eben erschienene Reprint des Buches Umbau aus dem Jahr 1932, neu herausgegeben von Markus Jager, der in Hannover Bau- und Stadtbaugeschichte lehrt. Umbau stammt aus der Feder des jungen Architekten Konstany Gutschow, der es zusammen mit Ingenieur Hermann Zippel verfasste. Zippel ist heute weitgehend unbekannt. Den 1902 in Hamburg geborenen Gutschow kennt man schon eher. Er zählt zu den vielen deutschen Planern, die nach beruflichen Anfängen in der Zwischenkriegszeit nach 1933 eine steile Karriere machten und in der Nachkriegszeit weitgehend problemlos weiterarbeiten konnten.
Umbau war Gutschows erstes Buch. Es entstand im Kontext der Weltwirtschaftskrise 1929, die dem Thema eine aktuelle Relevanz gab und bei vielen Architekten zu leeren Auftragsbüchern führte. Auch der junge Gutschow hatte „schlichtweg freie Kapazitäten“; hinzu kam ein „Hang zum Großen und Grundsätzlichen“, wie Jager in seinem Vorwort schreibt. Erfahrungen hatte Gutschow im Bereich Umbau nicht, traute sich aber trotzdem zu, das erste systematische und umfassende Buch zu diesem Thema in Deutschland zu schreiben (wobei er durchaus auf einige Vorläufer zurückgriff, diese aber unerwähnt ließ).
Der Band erschien im Julius Hoffmann Verlag, der zu den wichtigsten publizistischen Akteuren des Neuen Bauens zählte. Das Programm des Stuttgarter Verlags umfasste Bücher von Ludwig Hilberseimer, Richard Neutra oder Bruno Taut. Gutschow und Zippel argumentieren also aus dem Kontext der Moderne heraus, die bekanntlich eher auf Tabula rasa und das bedingungslose Neuerfinden von Architektur und Gesellschaft setzte. Trotzdem war der Ansatz ohne Weiteres anschlussfähig an Diskurs und Praxis. Es erhielt jedenfalls durchwegs positive Reaktionen.
Der Name ist Programm, der geradezu exzessive Untertitel verrät ziemlich genau, was man im Buch erwarten darf: Fassadenveränderung, Ladeneinbau, Wohnhausumbau, Wohnungsteilung, seitliche Erweiterung, Aufstockung, Zweckveränderung, Planung und Konstruktion. 86 Beispiele mit 392 vergleichenden Ansichten, Grundrissen und Schnitten.
Es ist erhellend, in die breit dokumentierte Praxis des Umbaus der Zwischenkriegszeit einzutauchen. Man findet – und das betonen die Autoren direkt zu Beginn – nicht nur „vorbildliche“ Beispiele, sondern die ganze, manchmal architektonisch durchaus ambivalente Bandbreite an Umbauten, darunter viele Purifizierungen historistischer Fassaden.
Bekanntlich spielte der Umbau in den folgenden Jahrzehnten eine untergeordnete Rolle. Das Buch sollte deshalb nicht als Auftakt einer architektonischen Transformationskultur missverstanden werden, sondern als hochinteressantes Zeitdokument, das Potenziale aber auch mache Irrwege des Umbauens exemplifiziert.
Text: Gregor Harbusch
Umbau. Fassadenveränderung, Ladeneinbau, Wohnhausumbau, Wohnungsteilung, seitliche Erweiterung, Aufstockung, Zweckveränderung, Planung und Konstruktion. 86 Beispiele mit 392 vergleichenden Ansichten, Grundrissen und Schnitten. Von Architekt Konstanty Gutschow und Ingenieur Dr. Hermann Zippel
Markus Jager (Hg.)
152 Seiten
Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2024
ISBN 978-3-96060-703-8
30 Euro
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Genius_loci | 17.05.2024 13:28 UhrGruselkabinett
"Umbau" ist eine sehr freundliche Bezeichnung für die durchweg abschreckenden Ergebnisse, die der Autor damals als "gelungene" Beispiele einer Fassadentransformation anführte. Natürlich muss man das Buch im Geiste seiner Zeit bewerten, in der viele eine "Moderne um jeden Preis" begrüßten. Heute sehen wir das zum Glück wesentlich kritischer und reflektierter.
Man versteht, wie solche Schriften den Grundstein für spätere, bedenkenlose Fassaden- und Stadtzerstörungen legten. Man denke nur an die massenhaften, staatlich bezuschussten "Purifizierungen" unzähliger Gründerzeitfassaden bis in die 70er Jahre hinein.
Man wünscht Gutschow & Co. posthum einen ähnlich rücksichtslosen Umgang mit ihren Werken.
Hoffentlich trägt der Reprint nicht am Ende dazu bei, dass ein derart inakzeptabler Umgang mit dem baulichen Erbe wieder salonfähig wird.