Der große Italiener mit dem Fusselbart gilt international als Stararchitekt. Doch erfüllt er eine wichtige Eigenschaft dieser Spezies nicht: Er hat keine wiedererkennbare Design-Masche ausgebildet, kein architektonisches Brandmark. Sein Markenzeichen ist vielmehr, dass jedes Gebäude anders aussieht.
Renzo Piano, am 14. September 1937 in Genua geboren, sollte eigentlich die Baufirma seines Vaters übernehmen. Doch er studierte Architektur in Florenz und Mailand, machte ein Praktikum bei Louis Kahn – und segelte viel. Dann wurde er auf einmal, im Alter von 39, überall bekannt: Sein zusammen mit Richard Rogers entworfenes Centre Pompidou (1971-77) bildete einen weltweit beachteten Paukenschlag. Nur wenige Gebäude aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten ein so starkes Image auch jenseits der Architektenkreise ausbilden. Die Sydney-Oper gehört dazu, der Olympiapark in München und eben das Centre Pompidou mit seinem bunten Röhrengeflecht über der Pariser Altstadt – „ eine spaßige urbane Maschine wie aus einem Jules-Verne-Buch“, sagte Piano einmal dazu.
Fortan wurde Piano eine Zeitlang unter „High-Tech-Architekt“ gelistet, wie Rogers, Foster oder Grimshaw. Aber dieses Etikett war eigentlich von Anfang an falsch, allenfalls teilte er mit den genannten Kollegen (und seinem zeitweiligem Büropartner, dem Ingenieur Peter Rice) schon früh die Einsicht, dass Ökologie und Nachhaltigkeit wichtige Ziele der Architektur sein müssen.
Piano hat sich immer als Moderierer und Macher, weniger als Künstler gesehen. Exemplarisch konnte er diese Fähigkeit beim Masterplan für den Potsdamer Platz in Berlin unter Beweis stellen, als er die Aufgabe hatte, die lauten Einzelbauten seiner Kollegen in das große Ganze einzufügen.
Doch auch spektakuläre Solitärbauten tragen seinen Namen als Urheber, so die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel (1997), das Zentrum Paul Klee in Bern (2005) oder das märchenhafte-tropische Kulturzentrum in Neukaledonien (1998). Kürzlich wurde mit „The Shard“ das höchste Hochhaus Europas in London fertig gestellt, und klein kann er auch: Die Erweiterung des kleinen Klosters an Le Corbusiers Wallfahrtskirche in Ronchamp ist aus gutem Grund kaum sichtbar.
Renzo Piano, Pritzker-Preisträger von 1987, ist je einen Tag pro Woche an den beiden Bürostandorten seines „Building Workshop“ in Genua und Paris, die restlichen Tage auf Reisen zu seinen Baustellen. Freie Tage sind in seinem Kalender kaum eingetragen. Dies sollte er mit 75 langsam ändern. Wir gratulieren! (-tze)
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Marko König | 14.09.2012 15:50 UhrMit 75
Mit 75...noch voll im Arbeitsleben...Das werden sich viel Architekten wünschen, und auch müssen, denn wem ist es vergönnt mit 39 ein Centre Pompidou zu planen?