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22.10.2015
Wir können es komplett verändern
Renzo Piano plant Wolkenkratzer in London
Von Daniel Felgendreher
Das zukünftige Hochhaus am Pendlerbahnhof Paddington im Westen des Londoner Zentrums hat einen berühmten Vorgänger. Die Verwandtschaft mit dem derzeitig höchsten Gebäude Londons, der „Scherbe“ am Bahnhof London Bridge südlich der Themse, ist offensichtlich. In Paddington starten der gleiche Architekt (Renzo Piano und sein Building Workshop), der gleiche Immobilienentwickler (Irvine Sellar und seine Sellar Property Group) in einem äquivalenten Kontext (ein geschäftiger Nahverkehrsknotenpunkt) ihren zweiten Versuch, mit neuer Form: Zylinder statt Scherbe.
Wie es so ist mit Fortsetzungen, dem zweiten Teil eines Filmes oder dem zweiten Album, an sie werden hohe Erwartungen geknüpft und nicht selten werden diese enttäuscht. Irvine Sellar ist voller Optimismus: Der Turm in 31 London Street wird „mit Paddington das machen, was die Scherbe mit London Bridge gemacht hat“. Nur was? Ähnlich größenwahnsinnig wie beim ersten Projekt – er sagte einmal die „Scherbe“ würde London auf „Jahrhunderte verändern“ – glaubt Sellar an eine transformative Kraft seines zweiten Megabaus.
In Hinblick auf die städtebauliche Entwicklung von Paddington, welches er in seiner zweifelhaften Analyse als leblosen Pendler-Transitort wahrnimmt, antizipiert er sein Gebäude als Katalysator für einen Wandel: „We can transform it completely“. Ein Impuls eines Konzerns zur räumlichen Veränderung eines Viertels: Der Turm verspricht eine Geste von monetärer Macht zu werden. Physische Größe und Macht geraten bei Sellar in eine Gleichung, sein Ego ist dem Projekt deutlich eingeschrieben.
Paddington ist ein wichtiger Pendlerbahnhof und zudem zukünftig wichtiger Umsteigepunkt der Ost-West-Strecke des „Crossrail“ – ein neues Hochgeschwindigkeits-Nahverkehrssystem, welches 2018 eröffnen soll. Mit einem 4.000 Quadratmeter großen öffentlichen Platz soll der Entwurf Pianos den Umstieg zwischen Fern- und Regionalzügen und der London Unterground Bakerloo Linie verbessern und die Rolle des Viertels als Tor in die Stadt ausbauen.
Falls die zuständige Baubehörde in Westminster im November die Baugenehmigung für das circa 1.3 Milliarden teure Großprojekt erteilt, könnte 31 London Street mit 224 Metern der viertgrößte Turm Londons werden. Auf 65 Geschossen soll er 200 Wohnungen beherbergen, 14.000 Quadratmeter Bürofläche, zudem Geschäfte, Restaurants und Cafés. Gekrönt wird das Gebäude mit einem offenen Dachgarten („a litte public garden in the sky of London“) –, den man sich sicher gegen einen – man kennt es von der Scherbe – kleinen Eintritt anschauen darf.
Letztendlich ist es hier egal, wie das zweite Album klingt. Es spielt keine Rolle, ob das Gebäude „erfolgreich“ ist, das heißt wie es in der Umgebung funktioniert, ob es angenommen wird oder Konsequenzen für die Entwicklung Paddingtons hat. Mit 31 London Street entsteht eine weitere Metapher für die Stadtentwicklung der „Kapitale“ Londons. Während der Projektentwicklung der Scherbe trotzte Sellar der Finanzkrise und dem Ausbleiben einer lokalen Käuferschaft. Er verkaufte einfach 95 Prozent an das Land Katar. Irgendwer wird immer in London Geld parken wollen.
Visualisierungen: IDA+
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