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17.11.2014
Forever Young
Rem Koolhaas zum 70. Geburtstag
Das Zentrum von Rotterdam lag in Schutt und Asche, als dort vor genau siebzig Jahren, also am 17. November 1944, ein Junge namens Remment Lucas Koolhaas zur Welt kam. Der gleichermaßen pragmatische wie heroische Wiederaufbau der Hafenstadt an der Maas, die 1940 von der deutschen Luftwaffe zerstört worden war, wurde für Koolhaas zu einer Art Nullpunkt seiner späteren Karriere als Architekt und Theoretiker. Seine Konzeption einer komplexen Moderne, die nicht einem abstrakten Dogma folgt, sondern sich mit einer offenen Entwurfshaltung vollkommen auf das Programm und den Kontext einlässt, entwickelte Koolhaas aber auch anhand von Berlin, das ihn spätestens seit 1969 zunehmend faszinierte.
Dort präsentierte Rem Koolhaas kürzlich die überarbeiteten Pläne für den neuen Campus des Springer-Konzerns, einem Gebäude, das vielleicht zu einem der wichtigsten seiner Karriere werden könnte. Für den früheren Journalisten der Haagse Post ist es das perfekte Programm. Auch der Bauherr ist mutig, und der Ort, praktisch auf der Grenze zwischen den beiden Teilen der lange getrennten Stadt gelegen, könnte ihm kaum näher liegen. Schließlich hatte Koolhaas schon während seines Studiums an der Architectural Association in London über „Berlin Wall as Architecture“ geforscht.
Bei der Projektvorstellung konnte sich der Niederländer allerdings einen kleinen Seitenhieb auf seine Kollegen Gehry und Foster nicht verkneifen. Beide planen mit Apple und Facebook gerade für große Technologieunternehmen, aber ihre eher konventionellen Entwürfe zeigten vielleicht, so Koolhaas, dass die beiden, „well in their eighties“, altersbedingt die Arbeitskultur des Silicon Valley nicht mehr so richtig begreifen. Doch ist Koolhaas, nun ja ebenfalls nicht mehr ganz junge siebzig Jahre alt, den Ansprüchen eines Medienkonzerns im Internetzeitalter gewachsen?
Mit sechs Jahren ging Koolhaas zusammen mit seiner Familie nach Indonesien. Kurz nach der Unabhängigkeit des Landes war dort der Alltag chaotisch und improvisiert, aber auch im positiven Sinne informell und ungekünstelt, was für ihn eine weitere wichtige Erfahrung werden sollte. Und tatsächlich, wenn man Koolhaas heute über den Campus in Berlin sprechen hört, wirkt er wie ein Mensch, der sich noch immer mit großer Offenheit und Unbedingtheit auf eine Aufgabe einlassen kann. Auch bei seiner Biennale in Venedig, die noch bis zum kommenden Sonntag läuft, zeigte er eine Herangehensweise, die oft noch immer zeitgenössischer wirkt als die vieler Kollegen. Modernität als Haltung, nicht als Stil, vielleicht war es das, was Koolhaas zwischen Rotterdam und Jakarta intuitiv verinnerlicht hatte.
Oft sind es die fortgeschrittenen Jahre, die für Architekten ökonomische Erfolge, jedoch nicht immer interessante Ergebnisse bringen. „Wieviel Architektur steckt in OMA?“, diese polemische Frage war Mitte Mai der Ausgangspunkt unserer Baunetzwoche #365 über Rem Koolhaas. Die Antwort? Im Grunde sprechen seine Arbeiten für sich, denn mit Gebäuden wie dem Timmerhuis in Rotterdam, dem Performing Arts Center in Taipeh und dem Bryghusprojektet in Kopenhagen stehen gerade mehrere wichtige Projekte kurz vor dem Abschluss. Um das Alterswerk des Rotterdamer Architekten muss man sich bis auf Weiteres also keine Sorgen machen. Die Haltung stimmt, und der Mann treibt viel Sport, mit seinen siebzig Jahren ist Koolhaas also gerade im besten Alter: Forever Young.
(Stephan Becker)
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