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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Reaktivierung_des_Oderberger_Stadtbades_in_Berlin_5132060.html

16.08.2017

Armenbad für Sprachtouristen

Reaktivierung des Oderberger Stadtbades in Berlin


Es klingt wie eine typische Berliner Geschichte: Ein altes Stadtbad steht jahrelang leer, wird sporadisch als Veranstaltungsort genutzt – und schließlich zu einem 4-Sterne-Plus-Hotel umgebaut. Die übliche Gentrifizierung im Prenzlauer Berg? Nicht ganz, denn erstens wurde beim Umbau des Oderbergers Stadtbades durch cpm architekten (Berlin) keiner verdrängt, zweitens bleibt das Bad – zu nur geringfügig höheren Preisen als die der städtischen Berliner Bäder – öffentlich zugänglich. Und drittens wurde hier denkmalgerecht gearbeitet und ein Stück historischer Architektur für die Stadt reaktiviert.
 
Das Oderberger Stadtbad ist eines der unzähligen Gebäude, die der baufreudige Stadtbaurat Ludwig Hoffmann in Berlin hinterließ. Es entstand 1899-1902 im Stil der Neorenaissance und diente – wie damals üblich – nicht nur als Schwimmbad, sondern vor allem der Hygiene, weshalb es 125 individuelle Dusch- und Badekabinen gab. Mitte der Achtzigerjahre wurde die große Schwimmhalle geschlossen, zehn Jahre später schließlich die Dusch- und Wannenbäder. Es folgten die bekannten Berliner Zwischennutzungen: Partys und andere Events.

Der lange Leerstand des Hauses hat mit der Auflage des Bezirks zu tun, der vom zukünftigen Eigentümer und Betreiber die Reaktivierung des Hauses als öffentliches Schwimmbad forderte. Ein solcher Badebetrieb generiert erhebliche Kosten und ist nur schwer lukrativ durchzuführen – trotz der prominenten Lage des Hauses. Es bedurfte also eines wirtschaftlich tragfähigen Gesamtkonzeptes, das die potentiellen Verluste des Badebetriebs aufzufangen vermag.
 
Dass es nun gerade eine Sprachenschule ist, die als Bauherrin auftrat, ist mehr als nur eine knappe Erwähnung wert. Denn das GLS Sprachenzentrum ist vermutlich eine der erfolgreichsten Institutionen im näheren Umfeld des Stadtbades. Seit zwölf Jahren bedient die Schule inmitten des internationalen Hotspots Prenzlauer Berg den Bedarf der „Sprachtouristen“, Austauschstudenten und Zuzügler an diversen Kursen. Von der prominenten Adresse an der Kastanienallee hat sich das Unternehmen weit in den Block hinein vergrößert, bis an die Rückseite des Stadtbades. Heute nennt sich das Gelände – an dessen Entwicklung cpm architekten bereits in den Jahren 2004-07 beteiligt  waren – GLS Campus und umfasst nicht nur Klassenzimmer, sondern auch Hotelzimmer für Sprachschüler, die gezielt nach Berlin kommen, um hier intensiv eine Fremdsprache zu erlernen. Kauf und Reaktivierung des alten Stadtbades sind ein großer, aber logischer Schritt in der Entwicklung des Unternehmens.
 
So dockt das neue Programm für das Bad an die Bedürfnisse der Sprachschule an: Das Hotel umfasst 70 Zimmer, fünf Suiten und zwei große Apartments. In die dreigeschossige Halle des ehemaligen Kesselhauses bauten die Architekten ein Restaurant ein. Die alten Dusch- und Wannenbäder wurden zu Seminarräumen umfunktioniert. Kern des Ensembles ist aber weiterhin die historische Schwimmhalle, die mit einem Hubboden-Scherensystem ausgestattet wurde. Innerhalb von 20 Minuten kann der Boden nach oben gefahren werden, ohne dass man das Wasser ablassen muss. Anschließend wird eine feste, transparente Schutzmatte ausgelegt und verklebt – und die große Schwimmhalle ist in einen Veranstaltungssaal für bis zu 800 Personen transformiert.
 
Für den Umbau wird die Bauherrin mit der Ferdinand-von-Quast-Medaille 2017 ausgezeichnet werden, dem Denkmalpflegepreis des Landes Berlin, der offiziell am 8. Januar nächsten Jahres verliehen wird. Vielleicht noch wichtiger: Wer gleich morgens um sieben Uhr kommt, hat durchaus die Chance, die Schwimmhalle für sich allein erleben zu können. Im Prenzlauer Berg steht man eben spät auf. (gh)

Fotos: GLS Sprachenzentrum, cpm architekten


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