Am 2. Oktober 2021 wäre das Haus der Kultur in Gera exakt 40 Jahre alt geworden. Eine Feier blieb aus, offiziell aufgrund der wechselnden Corona-Bestimmungen, die keine Planungssicherheit für Veranstaltungen im Gebäude zuließen. Ein bisschen klingt das allerdings auch nach einer willkommenen Ausrede: Immerhin wäre in einem Bau mit mehreren Sälen und knapp 24.000 Quadratmetern Nutzfläche doch wohl genügend Sicherheitsabstand möglich gewesen – und zur Not hätte es auch um das große Haus herum ausreichend freien Platz gegeben. Aber so ganz ist sich die Stadt eben immer noch nicht sicher, wie sie mit diesem gewaltigen DDR-Erbe in ihrer Mitte, diesem unübersehbaren Raumschiff der Ost-Moderne, umgehen soll.
Da ist es umso besser, dass pünktlich zum Jubiläum im jungen Leipziger Verlag sphere publishers und im Auftrag des Kulturamtes Gera ein ausführlicher Band zum Haus der Kultur erschienen ist. Das Buch positioniert das Gebäude in Stadt- und DDR-Geschichte und beleuchtet dabei die Vergangenheit ebenso wie die glanzlose Gegenwart und die unsichere Zukunft eines Bauwerks, das schon alleine aufgrund des kunstvollen Detailreichtums seiner Innenräume baukulturellen Wert besitzt.
Nicht verschwiegen wird die Geschichte, aus der das Haus entstand. Für die Umgestaltung des Geraer Stadtzentrums im Sinne der sozialistischen Stadt wurden wesentlich mehr Altbauten abgeräumt, als die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört hatten. Kunsthistoriker Oliver Sukrow und Kulturamtsleiterin Claudia Tittel beschreiben in ihren Texten auch diese Zerstörungen, aus denen die neue Mitte entstand – inklusive zentralem Platz, Wohnhochhäusern und eben dem Haus der Kultur. Mit dessen Bau konnte erst 1977 – nach gut 20 Jahren Gestaltungsdebatte! – begonnen werden. Nicht wenige sahen in ihm natürlich den kleineren Bruder des kurz zuvor eröffneten Palasts der Republik in Ost-Berlin, mit dem das Geraer Haus nicht zuletzt die innenräumliche Vielfalt gemein hatte.
Über einen Abriss des Hauses der Kultur wird zwar kaum noch ernsthaft diskutiert. Dennoch ist offen, wie der große Bau auch in Zukunft sinnvoll genutzt werden kann. Dass lange Zeit wenig in das Gebäude investiert wurde, ist Fluch und Segen zugleich, denn dadurch ist es – ähnlich wie das derzeit oft gelobte ICC in Berlin – zwar in die Jahre gekommen, aber eben auch eine wahre „Zeitkapsel“, in der viele Teile der originalen Möblierung und Detailierung noch gut erhalten sind. Das zeigen die historischen Aufnahmen des Geraer Fotografen Wolf-Dieter Volkmann. Und das zeigen die Bilder seines Sohnes Louis Volkmann, der in seiner liebevollen fotografischen Erkundung des Geraer Kulturpalastes sozusagen auch das Erbe des Vaters fortführt.
Dieses Buch kommt also genau rechtzeitig, um in den wunderbaren fotografischen Streifzügen durch das Gebäude nicht nur die räumliche Großzügigkeit und das imposante Wandrelief im Foyer vor Augen zu führen, sondern auch die Bedeutung von Kleinigkeiten zu verdeutlichen, beispielsweise die Türgriffplastiken, die von verschiedenen Bildhauern der DDR entworfen wurden. Man liest, man schaut, man staunt und überdenkt – und nach 144 flott komponierten, eher bildlastigen Seiten hat man, eh man sich’s versieht, das Gebäude schon lieb gewonnen und Gera auf die Liste der zu besuchenden Orte geschrieben.
Text: Florian Heilmeyer
Fotos: Louis Volkmann, Wolf-Dieter Volkmann
Haus der Kultur Gera
Claudia Tittel (Hg.)
144 Seiten
sphere publishers, Leipzig 2021
ISBN 978-3-9821327-6-1
39 Euro
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Lara | 14.10.2021 06:58 UhrschöN!
Und gibt es denn die Tanzveranstaltung Saphir noch? Wenn nicht, unbedingt wieder auflegen! Gera kann es gebrauchen!