Wer auf dem historischen Marktplatz in Antwerpen steht, kommt um das Rathaus nicht herum. Mit satten 80 Metern Länge füllt es die gesamte Westseite des Platzes. Außerdem scheint es seit der jüngsten Sanierung durch ein interdisziplinäres Team um die lokalen Architekt*innen von HUB noch ein wenig mehr zu strahlen als zuvor. Dass es dabei im Inneren auch erheblich umgebaut wurde, ist hingegen von außen nicht zu sehen.
Vor einigen Jahren entstand die Idee, die über ganz Antwerpen verteilten Stadträte wieder zurück ins Rathaus zu holen und das Haus damit wieder zum Zentrum der Stadtregierung zu machen. Der Umbau sollte mit einer umfassenden Sanierung und Restaurierung der prachtvollen historischen Räume einhergehen. Dazu wurde 2014 mit dem Vlaams Bouwmeester ein Open Oproep-Wettbewerb ausgelobt, der von HUB gewonnen wurde. Um die komplexe Herausforderung zu stemmen, hatten die Architekt*innen schon anlässlich des Wettbewerbs gemeinsam mit den Büros Origin, Bureau Bouwtechniek, Daidalos peutz, RCR, BAS, FPC und Germaine Kruip ein Team gebildet, das Spezialist*innen für Restaurierung, Sanierung, Statik, Gebäudetechnik und Akustik inkludiert.
Denn das Rathaus Antwerpen ist ein vielschichtiges Haus. Der erste Bau des Architekten Cornelis Floris De Vriendt von 1565 wurde bereits zehn Jahre später von spanischen Besatzungstruppen niedergebrannt und bis 1580 als Neuinterpretation rekonstruiert. Dieser Bau wurde im 19. Jahrhundert mehrfach und mit teilweise wenig Rücksicht auf die historische Substanz modernisiert und verändert. Eine der bedeutendsten Veränderungen war die Überdachung des Innenhofs durch eine Buntglaskuppel des Architekten Pieter Dens. Dabei ist das Gebäude durchgehend als Rathaus genutzt worden. HUB sprechen von einer „vielschichtigen Kohärenz“, die sie erhalten wollten: „Die Summe der Eingriffe, die das Gebäude im Laufe der Zeit erfahren hat, bildet ein harmonisches Ensemble, das wir als solches respektieren.“ Gleichzeitig wollen sie mit ihrem Eingriff eine neue, gleichberechtigte Schicht hinzufügen.
Dazu wurden die historischen Prunksäle im ersten und zweiten Obergeschoss sowie das zentrale Treppenhaus präzise restauriert – wobei es keine „Verjüngungskur“ gab, wie HUB betonen, sondern die Spuren der Geschichte erhalten blieben. Im Erdgeschoss wurden viele Einbauten entfernt, sodass die verschiedenen Gewölbearten wieder sichtbar und gleichzeitig die historischen Eingänge zu allen Seiten geöffnet werden konnten. So wird das Erdgeschoss wieder zur Erweiterung des öffentlichen Raumes ringsum. Wie ursprünglich liegt der Haupteingang jetzt erneut am Marktplatz.
Im Inneren führt der Weg vom Platz ins Zentrum des Gebäudes und über die monumentale Treppenanlage zur Beletage (auf Niederländisch: „Het Schoon Verdiep“). Die größten Veränderungen nahmen HUB im Dachgeschoss vor; dazu gehört ein Stockwerk, das den meisten Besucher*innen bislang verborgen blieb, in dem aber nun Stadträte und Verwaltungen ihre Zimmer haben. Hier fügten HUB zwei Lichthöfe mit Oberlichtern ein, die ähnlich wie auf der Beletage als Foyers der umliegenden Ratszimmer dienen. Mit dem überraschenden Maß an Tageslicht und dem Blick in den Himmel über Antwerpen soll diese „erleuchtete Etage“ künftig der historischen Beletage ebenbürtig sein. (fh)
Fotos: Stijn Bollaert
Zum Thema:
Mehr zur nachhaltigen Sanierung von Altbauten gibt es bei Baunetz Wissen.