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17.03.2020
Der Koloss von Antwerpen
Rathaus von Xaveer de Geyter
Es gibt einfachere Aufgaben: Die Verwaltung der Region Antwerpen hatte den Abriss ihres gerade einmal 45 Jahre alten Büro-Hochhauses beschlossen. Dem schlichten Block im Stil der internationalen Curtain-Wall-Moderne (Entwurf: René Grosemans und Maurice de Vocht, eröffnet 1970) wurden technische Mängel und Bauschäden vorgeworfen, die mit vertretbarem Aufwand nicht zu beseitigen seien. Außerdem sei das 70 Meter hohe Rechteck städtebaulich ignorant, obwohl der Standort zwischen Harmonie- und König-Albert-Park doch ein attraktives Scharnier zwischen den Grünflächen sein könnte. 2013/14 wurde das Gebäude entfernt, allerdings blieb ein 75 Meter langer, dreigeschossiger Anbau mit großen Glaswänden erhalten. Er ist jüngeren Datums, und ein Abriss schien den Ratsmitgliedern allzu verschwenderisch. Stattdessen sollten die Architekt*innen des Neubaus den Flachbau zum Ausgangspunkt ihrer Entwürfe machen. Insgesamt sollte das Ersatzprojekt dann auch noch die Positionierung zu den Parks verbessern, alle Parkplätze unter die Erde verlegen und außerdem neue Programmpunkte aufnehmen. Eine Bibliothek und Teile des öffentlichen Kunstarchivs befinden sich nun ebenfalls hier.
Die Lösung, mit der Xaveer de Geyter Architekten (XDGA) den „Open Oproep“ 2011 gewinnen konnten, hat das belgische Architekturmagazin A+ gerade erst als „Ei des Kolumbus“ bezeichnet. Die Architekten türmen das gewünschte Bauprogramm über dem Altbau in die Höhe; genauer, auf 16 Stockwerke und 59 Meter Höhe. Über dem Altbau bildet der Neubau eine vier Etagen hohe Aussparung, sodass auch das Dach des Flachbaus künftig vollständig als „Bellevue“ genutzt werden kann. Ansonsten bringen die Architekten im Altbau ein großzügiges Foyer sowie die repräsentativeren Räume wie auch einen Veranstaltungs- und den Sitzungssaal des Regionalparlaments unter. Breitbeinig wie der Koloss von Rhodos steht das neue Hochhaus über dem Flachbau – und in einem der beiden „Füße“ befinder sich nun der neue Haupteingang, der dadurch direkt an der Straße liegt. Die Fassade öffnet sich hier durch nach außen gedrehte, weiße Beton-Dreiecke.
„Das neue Gebäude legt sich wie eine Brücke über den Pavillon“, schreiben die Architekten. „Ein großer Stahlträger spannt von einem Erschließungskern zum anderen. Zwei weitere Träger sind in die seitlichen Betonwände eingefügt, ihre Diagonalstreben bestimmen die Form der Fenster.“ Um die Orientierung im Gebäude zu erleichtern, wurden die Erschließungskerne in schwarz gefärbten Beton gegossen. Die geschlossenen Fassadebereiche hingegen, die aus der Ferne ganz weiß aussehen, entpuppen sich beim Näherkommen als ein feines Netz mit kleinen, runden Keramikkacheln, die über den weißen Beton geklebt wurden.
Um den neuen Durchgang zwischen den beiden öffentlichen Pärken zusätzlich zu betonen und um ihn besser zu belichten, haben sich XDGA entschlossen, ihr Hochhaus um einige Grad nach Süden zu schwenken. Zwischen der dritten und der elften Etage dreht sich jedes Stockwerk etwas zum vorherigen. Die Fassade betont allerdings nicht dieses eher ruckartige Drehen, sondern bleibt gestrafft wie eine glatte Haut. Insgesamt sind auf den 16 Etagen 33.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche entstanden, die Baukosten werden mit 73 Millionen Euro angegeben. Schon deswegen wünschen wir dem Gebäude eine längere Lebensdauer als seinem Vorgänger. (fh)
Fotos: Stijn Bollaert, Matthias Van Rossen / XDGA
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