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20.05.2020

Polygon in Béton brut

Rathaus in Remchingen von Steimle Architekten


Remchingen liegt im Baden-Württembergischen Enzkreis westlich der Landeshauptstadt, irgendwo zwischen Karlsruhe und Pforzheim. Für die kleine Gemeinde stellten Steimle Architekten Anfang dieses Jahres ein neues Rathaus fertig. Das fünfeckige Gebäude steht auf einem Grundstück zwischen dem Flüsschen Pfinz und der Bundesstraße. Den entsprechenden Wettbewerb konnte das Stuttgarter Büro 2015 für sich entscheiden. Es entstand ein Monolith in Béton brut.

In unmittelbarer Umgebung des Neubaus befinden sich ein Altenpflegeheim und die Kulturhalle des 2015 verstorbenen Mannheimer Architekten Helmut Striffler.  Beide Bauten stehen in ihrer formalen Gegensätzlichkeit für sich und agieren kaum miteinander. Das neue Rathaus ergänzt diese Konstellation insofern, als dass es vermittelnde Räume zwischen den Bestandsgebäuden entstehen lässt. Gleichzeitig setzt es zur Straße und zum San-Biagio-Platani-Platz klare Kanten. Letzterer soll alle drei Bausteine mit dem Landschaftsraum der Pfinz verbinden.

Der Hauptzugang erfolgt über diesen Platz, weitere Eingänge befinden sich aber auch an den kurzen Seiten des Gebäudes. Allesamt münden sie in ein gebäudehohes Atrium mit Sitzgelegenheiten, Bürgerbüro und Gastronomie. Der durchlässige Sockel mit allgemeiner Nutzung soll den Charakter des Gebäudes als offenes Haus unterstreichen und gemeinsam mit dem Platz den rund 12.000 Einwohnern „als neue Mitte für Begegnung und Kommunikation“ dienen. Im ersten Obergeschoss befinden sich neben weiteren Büroräumen der Trausaal mit Loggia Richtung des nördlichen Gemeindeteils Singen. Darüber liegt der zweigeschossige Ratssaal mit Galerie und Terrasse. Diese öffnet sich zum Platz und ermöglicht nicht nur Ausblicke zur Pfinz, sondern stellt über den Fluss hinaus eine Sichtachse zum nahe gelegenen Schlossbad her.

Steimle Architekten bauen gerne massiv und oftmals auch mit Sichtbeton. Dabei weisen sie allerdings eine gewisse Bandbreite auf: Beim Landratsamt in Bad-Kissingen wurde beispielsweise zusätzlich mit Sandstein gearbeitet, und ihre Bibliothek in Kressbronn ist in Holzhybridbauweise errichtet. Letztere erhielt, das zeigt die Sonderstellung des Gebäudes, sowohl den Deutschen Holzbaupreis (Kategorie „Bauen im Bestand“) als auch eine Anerkennung beim Architekturpreis Beton. Für das Rathaus in Remchingen wählte das Büro als bestimmendes Material einen warmgrauen Dämmbeton. Dessen Qualitäten sind bekannt: Dank seines reinmineralischen Aufbaus sind die Wände voll recyclebar, allerdings wird hinsichtlich Tragfähigkeit und Dämmwirkung auch eine dickere Wandstärke benötigt. Den resultierenden monolithischen Charakter des Gebäudes unterstreichen quadratische Öffnungen mit tiefen Laibungen.

Das Grau des Betons wird durch die warmen hölzernen Details im Inneren des Rathauses ausgeglichen. Dominierendes räumliches Charakteristikum ist sicherlich das ausladende Atrium. Im Bereich des Luftraums durchbrechen acht quadratische, leicht zueinander versetzte Oberlichter die massive Decke und bilden einen dezenten Kontrast zur streng gegliederten Fassade. Langgezogene Treppenläufe setzen außerdem einen theatralen Akzent im Verwaltungsalltag. (tp)

Fotos: Brigida González


Zum Thema:

BAUNETZWOCHE#350 „Dickhäuter in Dämmbeton“


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