Im Norden Schwedens findet gerade ein größerer Umzug statt: die 18.000-Einwohner-Stadt Kiruna wandert bis zum Jahr 2100 einige Kilometer in Richtung Osten. Grund dafür ist die riesige Eisenerzmine, die neben beziehungsweise unter dem derzeitigen Stadtgebiet liegt. Im 19. Jahrhundert Ausgangspunkt der Siedlung und seitdem ihre Existenzgrundlage, stellt das Bergwerk aufgrund seiner unterirdischen Ausbreitung mittlerweile auch eine Bedrohung dar. Die Stadt läuft Gefahr, im instabil gewordenen Erdboden zu versinken. Daher beschloss der staatseigene Minenbetreiber Luossavaara-Kiirunavaara (LKAB), den Ort nach und nach auf stabilen Grund zu verlegen – und hat bereits über 1 Milliarde Euro für dieses äußerst komplexe Umzugsunterfangen zugesichert.
Vor wenigen Tagen nahm nun das erste öffentliche Gebäude des neuen Stadtzentrums seinen Betrieb auf: das Kiruna Stadshus „Kristallen“ – das Rathaus nach Plänen von Hennig Larsen Architects. Das Kopenhagener Büro, das in den vergangenen Jahren auch mehrere Rathäuser in Dänemark konzipierte, konnte sich mit seinem Entwurf in Kooperation mit den Landschaftsarchitekten Temagruppen (Stockholm) im 2012 ausgelobten Wettbewerb gegen 56 internationale Teams durchsetzen. Konzeptuell wesentlich war auch die Einbindung einzelner Elemente des alten Rathauses aus dem Jahr 1958, die nun auf das frühere Kiruna verweisen – darunter der ikonische Glockenturm, der an den neuen Standort umgesetzt wurde.
Mit der Geometrie des 13.180 Quadratmeter großen Neubaus spielen die Architekten zum einen auf die kristalline Form des für Kiruna so schicksalhaften Eisenerzes, zum anderen auf die zentrale kommunale Rolle des Gebäudes an. Sie verschränkten zwei Volumen miteinander: Clusterförmig gestapelte, goldfarbene Boxen bilden einen knapp 35 Meter hohen Kern, der von einem grauen Kranz mit drei breiten, umlaufenden Fensterbändern umschlossen wird. In diesem Rundling liegen die Büros der Stadtverwaltung, der in ihm steckende „Kristall“ hingegen beherbergt nicht nur den großen Rathaussaal, er dient zugleich als soziales Zentrum der Gemeinde. Während das Foyer mit Café und Sitzgelegenheiten als öffentlicher Treffpunkt im Sinne eines Wohnzimmers gedacht ist, befindet sich in den oberen Geschossen auch ein Museum für Kunst und Kultur des in der Region anssässigen Volkes der Samen.
Die runde Umhüllung hat jedoch nicht nur eine symbolische Funktion, sondern ermöglicht zugleich die Optimierung der einfallenden Lichtmenge – diese konnte dank des Ringes um 17 Prozent im Vergleich zu einem rein quadratischen Volumen gesteigert werden. Auch das von warmen Holz- und goldenen Metalltönen geprägte Gebäudeinnere ist in erster Linie den schwierigen Tageslichtverhältnissen im hohen Norden geschuldet, wo im Winter wochenlange Dunkelheit herrscht und maximale Behaglichkeit zum wichtigen stimmungsbildenden Faktor wird. (da)
Fotos: Hufton + Crow, Peter Rosén/Lappland Media
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