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12.07.2018
Entwurfsbasiert Forschen
Ralf Pasel und Jürgen Weidinger über Promotionsprogramm der TU Berlin
Kann Entwerfen Forschung sein? Diese Frage stellt sich für viele Universitäten nicht mehr. Die sogenannte entwurfsbasierte Forschung ist seit einigen Jahren ein bildungspolitischer Trend und eröffnet Architekten völlig neue Möglichkeiten der kritisch reflektierten Arbeit. Die Technische Universität Berlin ist die erste deutsche Hochschule, in der man mit entwurfsbasierter Forschung promovieren kann. Ralf Pasel (Leiter des Fachgebiets Entwerfen und Baukonstruktion CODE) und Jürgen Weidinger (Leiter des Fachgebiets Landschaftsarchitektur Entwerfen) sind Sprecher des 2016 gegründeten Programms entwurfsbasierte Promotion (PEP). Sie schildern, was sich dahinter verbirgt.
Von Sebastian Feldhusen
Was ist entwurfsbasiertes Forschen?
Pasel: Eine Forschungsmethode zur Gewinnung von Erkenntnis durch das Entwerfen von räumlichen Artefakten wie Gebäude oder Freianlagen. Entwerfen alleine reicht aber nicht aus. Der eigene Entwurf muss kritisch mit anderen Entwürfen abgeglichen, ins Verhältnis zu bestehenden Theorien und im Diskurs positioniert werden. Deshalb ist nicht jeder Entwurf Forschung. Zur Forschung wird Entwerfen erst, wenn es einen Dialog zwischen Machen und Denken gibt, eine Erkenntnis erzielt und diese auch nachvollziehbar vermittelt wird. Das ist Thema des PEPs, in dem Doktrandinnen und Doktoranden entwerfend forschen.
Warum haben Sie das PEP gegründet?
Weidinger: An Universitäten werden viele Daten über Architektur und Landschaftsarchitektur gewonnen, zum Beispiel Daten über Baustoffe, Klima, Wasser. Aber alleine durch Datenkenntnis entstehen noch keine qualitätsvollen Gebäude und Freiräume. Deshalb wird in Architektur und Landschaftsarchitektur entworfen. Erst im Entwurf werden zahlreiche ethische, funktionale und ästhetische Aspekte zu einem Konzept verwoben und eine räumliche Gestalt entwickelt. An den Universitäten wird diese synthetisierende Arbeitsweise bisher kaum als Forschungsmethode angewendet. Deshalb haben wir das PEP initiiert.
Gibt es vergleichbare Programme an anderen Universitäten?
Weidinger: Ja, aber nur wenige. Das vermutlich erste Programm bot das Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT) an. Wir bauen auf diesen Vorarbeiten auf, aber unterscheiden uns auch von ihnen. Unser Entwurfsbegriff ist enger gefasst. Für uns ist Entwerfen die Verkörperung einer Idee in einem räumlichen Artefakt. Darin liegt für uns der erkenntnistheoretische Kern des PEPs. Wenn eine Idee als räumliches Artefakt verkörpert wird, verstehen wir neue Aspekte, die wir durch Denken alleine nicht hätten erkennen können. Ein formaler Unterschied besteht darin, dass in anderen Ländern Gebühren für die Teilnahme an PhD-Schools verlangt werden, das lehnen wir für unsere Initiative ab.
Können Sie Beispiele für entwurfsbasierte Promotionen nennen?
Pasel: Unsere Doktorandinnen und Doktoranden promovieren erst seit zwei Jahren, deshalb liegen noch keine Dissertationsschriften und Artefakte vor. Entwurfsbasiertes Forschen ist aber nicht neu. Der Landschaftsarchitekt Leberecht Migge hat bereits zur Weimarer Zeit entwurfsbasiert geforscht, auch der Architekt Oswald Mathias Ungers in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und in der Gegenwart der Architekt Rem Koolhaas. Diese und noch viele weitere Personen haben den Dialog von Machen und Denken überzeugend betrieben und dadurch den Wert entwurfsbasierter Forschung belegt.
Was ist die Voraussetzung, um am PEP teilzunehmen?
Weidinger: Für unsere Doktorandinnen und Doktoranden gelten die regulären Voraussetzungen, wie sie in der Promotionsordnung der TU Berlin beschrieben sind. Zusätzlich müssen sie ein Werk vorweisen. Das bedeutet, sie müssen über eine gereifte Entwurfserfahrung verfügen, die durch eine Serie von Entwürfen nachgewiesen wird. In der Regel wird diese Entwurfsreife nach einigen Jahren Berufspraxis in der Architektur- und Landschaftsarchitektur erreicht.
Wo steht Ihr Programm in zehn Jahren?
Pasel: Die zahlreichen Anfragen aus dem In- und Ausland spiegeln den Trend wider, entwurfsbasierte Forschung an Universitäten zu etablieren. Nach unserem Wissensstand haben wir mit dem PEP deutschlandweit das erste Promotionsprogramm zur entwurfsbasierten Forschung initiiert. Viele Kolleginnen und Kollegen an anderen deutschen Universitäten entwickeln aktuell ähnliche Programme. In zehn Jahren wird sich daher nicht nur das PEP, sondern die entwurfsbasierte Forschung allgemein etabliert und die Architekturforschung um einen Baustein erweitert haben. In zehn Jahren werden wir im PEP auch über einen Korpus an Promotionen verfügen, der Leitlinien der Entwurfsforschung in der Architektur und Landschaftsarchitektur aufzeigen wird. Außerdem gehen wir davon aus, dass wir in zehn Jahren weitere Entwurfsdisziplinen im PEP integriert haben, zum Beispiel das städtebauliche Entwerfen.
Das Interview erschien in ähnlicher Form zuerst in Ausgabe 6/2018 der hochschuleigenen Zeitschrift „TU intern“.
Zum Thema:
Momentan sind 25 Doktorandinnen und Doktoranden im Programm entwurfsbasierte Promotion (PEP), die meisten aus den Bereichen Architektur und Landschaftsarchitektur. Das Programm wird neben den beiden Gesprächspartnern von Matthias Ballestrem (HCU Hamburg), Ignacio Borrego (TU Berlin) sowie Donatella Fioretti (Kunstakademie Düsseldorf) geleitet. Vom 28. September bis 1. Oktober 2018 organisiert das PEP die Conference for Artistic and Architectural (Doctoral) Research (CA2RE) an der TU Berlin. Weitere Informationen: www.pep.tu-berlin.de
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Ralf Pasel, Leiter des Fachgebiets Entwerfen und Baukonstruktion CODE am Institut für Architektur
Jürgen Weidinger, Leiter des Fachgebiets Landschaftsarchitektur Entwerfen am Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung