Zugegeben, die Idee eines überdachten Fahrradweges unter der berühmten Hochbahn der Linie 1 quer durch Berlin klingt verwegen, visionär und verträumt. Doch das Buch „Radbahn Berlin“ dürfte so manchen Skeptiker aufhorchen lassen. Seine 144 Seiten zeigen, was passiert, wenn sich jemand voller Enthusiasmus in all die Detailfragen reindenkt, die ein solches Projekt provoziert, und dabei das scheinbar Unmögliche realisieren will.
Alles begann 2015, als der Finne Martti Mela einige Bekannte zusammenrief, die ein paar Bilder skizzierten und über Social Media veröffentlichten. Innerhalb von zwei Wochen hatte die Idee 10.000 Facebook-Fans, Medienartikel in der ganzen Welt und die Verleihung des Bundespreises Ecodesign folgte. Denn bei Radbahn Berlin geht es um mehr als die Nutzung des vergessenen Raumes unter der Hochbahnlinie. Die Radbahn soll vom Bahnhof Zoo bis zum Schlesischen Tor verlaufen. Sie quert Wittenbergplatz und Nollendorfplatz, begleitet den Landwehrkanal, kreuzt den Gleisdreieckpark, passiert einen neuen Strand an der Möckernbrücke, zwängt sich durch das Nadelöhr an der Gitschiner Straße bis zum Kottbusser Tor und erreicht schließlich die Oberbaumbrücke hinterm Schlesischen Tor.
Für die neun Kilometer lange Strecke haben die Initiatoren eine Potenzialstudie erarbeitet. Die Radbahn soll nicht mehr länger „nur” die Idee eines bunten Teams von Engagierten sein, sondern ein gesamtstädtisches Vorhaben und ein Beispiel dafür, wie Bürger und Experten mit der Verwaltung und der Politik produktiv zusammenarbeiten könnten, heißt es darin. Die Radbahn hätte nicht nur positive Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt, sondern brächte auch Vorteile für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Kultur.
Die Studie visualisiert verkehrsplanerische Fragen, etwa wie sich Kreuzungspunkte, Hochbahnhöfe und zu geringe Abstände zwischen den Stützen lösen lassen. Sie stellt erste Kostenberechnungen und eine Kosten-Nutzen-Analyse auf und gibt Empfehlungen mit welchem Streckenabschnitt man beginnen sollte. Eine ingenieurtechnische Machbarkeitsstudie wäre der nächste Schritt.
Hinter Radbahn Berlin steht der gemeinnützige Verein „paper planes e.V.“ und ein Team von acht Berlinern. Bis zur Umsetzung ist es noch ein weiter Weg durch politische Ebenen und zu potentiellen Geldgebern. Wer das Projekt und die Gruppe unterstützen möchte, spendet an den Verein oder kauft das Buch.
Text: Friederike Meyer
Radbahn Berlin. Zukunftsvisionen für die ökomobile Stadt
paper planes e.V. (Hg.)
144 Seiten, deutsche und englische Ausgabe
Jovis Verlag
ISBN 978-3-86859-516-1
29.80 Euro
Zum Thema:
radbahn.berlin
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