Auf den Jane Drew Prize 2020 folgt die RIBA Gold Medal 2023: Das Royal Institute of British Architects (RIBA) hat kürzlich die pakistanische Architektin Yasmeen Lari erneut mit einer prestigeträchtigen Auszeichnung geehrt. Gewürdigt wird das Lebenswerk einer Frau, die nicht nur die erste Architektin Pakistans war und sich als solche in ihrer Heimat für eine Professionalisierung der Disziplin stark gemacht hat, sondern die sich dort auch seit vielen Jahren unermüdlich für ein klimaneutrales und sozial gerechtes Bauen engagiert.
Mit einer von ihr 2005 initiierten Selbstbau-Bewegung, die der Prämisse „Zero Carbon, Zero Cost, Zero Waste“ – kein CO2, keine Kosten, kein Abfall – folgt, hat die mittlerweile 82-Jährige Maßstäbe gesetzt, was zukunftsfähige Architektur sein und leisten kann. Im Rahmen dieser „sozialen Barfußarchitektur“ entstanden in von wiederkehrenden Naturkatastrophen betroffenen Regionen bereits zehntausende erdbeben- und flutresistente Bauten, die von ihren künftigen Nutzer*innen nach Laris Plänen aus Bambus, Lehm und Kalk errichtet wurden.
Ähnlich wie der Preisträger des vergangenen Jahres – der im Januar 2023 verstorbene – indische Architekt Balkrishna Doshi, zeigte sich auch Lari zu Beginn ihrer Karriere stark geprägt durch Moderne und Brutalismus. 1941 in eine einflussreiche pakistanische Familie hineingeboren, absolvierte sie ihr Studium in Oxford und gründete 1964 in Karachi ihr Büro Lari Associates. Dank ihres familiären Netzwerks erhielt sie schnell hochkarätige Planungsaufträge und entwarf einige der größten Repräsentationsbauten Karachis, darunter das Finanz- und Handelszentrum FTC (1982–89) und den Hauptsitz für den Ölkonzern Pakistan State Oil (1984–91). Ihr eigenes Haus, 1973 in Karachi errichtet, gilt als wichtiges Beispiel des Brutalismus in Pakistan.
Bereits relativ früh begann sie, sich intensiver mit der Baukultur ihrer Heimat zu beschäftigen. 1980 gründete sie schließlich mit ihrem Mann Suhail Zaheer Lari die Heritage Foundation of Pakistan, die sich dem Erhalt des Bauerbes widmet. Auch räumte Lari der Nutzer*innenperspektive stets einen hohen Stellenwert ein. Intensive Gespräche mit künftigen Bewohner*innen über deren Bedürfnisse und Wünsche wurden zu einem selbstverständlichen Teil ihrer Arbeit. Für ihren Entwurf der Pakistan Chulah – eines aus Lehm und Kalk unter freiem Himmel gebauten Herdes – wurde sie 2018 von der UN ausgezeichnet. An die 80.000 dieser raucharmen Kochgelegenheiten soll es mittlerweile in Pakistan geben.
Ausgezeichnet wird Yasmeen Lari, die derzeit an der Uni in Cambridge lehrt, nun vor allem für ihre humanitäre Arbeit sowie ihren Einsatz für ökologische Gerechtigkeit, Klimaresilienz und CO2-freies Bauen. Sie wird die Medaille, die in diesem Jahr zum ersten Mal von König Charles III. persönlich verliehen wird, im Juni entgegennehmen. Die Architektin selbst zeigt sich überrascht von der Ehrung: „Ich hätte nie gedacht, dass ich, die ich mich auf die am stärksten ausgegrenzten Menschen meines Landes konzentriere und mich auf unerforschte vagabundierende Pfade begebe, trotzdem für höchste Auszeichnungen im Architektenberuf in Betracht gezogen werden könnte.“ (da)
Zum Thema:
Mehr zu Yasmeen Laris Lebenswerk in der Baunetzwoche#616, die anlässlich der aktuell im Architekturzentrum Wien gezeigten Ausstellung „Yasmeen Lari – Architecture for the Future“ erschien.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Ergänzend | 04.05.2023 07:20 Uhrsei erwähnt,
dass im AZ Wien derzeit eine sehenswerte Ausstellung zu Yasmeen Lari läuft. Noch zu sehen bis zum 16.08.2023.