Die Liste der Filme und Serien, in denen die Betonterrassen des Alexandra Road Estate auftauchen, ist lang und reicht bis in die Gegenwart – die kompromisslose Ästhetik dieses berühmtesten Projekts des Londoner Architekten Neave Brown ist offensichtlich bis heute gefragt. Entstanden ist das brutalistische Wohnensemble auf Initiative des Camden Councils, und Brown sah seine Neuinterpretation der viktorianischen Terraced Houses auch als Chance, dem damaligen Trend zum Wohnturm eine kleinteiligere Architektur entgegenzusetzen. Kritik gab es trotzdem, vor allem angesichts der zunächst hohen Bau- und Unterhaltkosten, doch heute gilt Alexandra Road längst als denkmalgeschütztes Vorzeigeprojekt. Und Brown wurde nun von der RIBA für sein Lebenswerk mit der Goldmedaille ausgezeichnet.
RIBA-Präsident Ben Derbyshire, der auch dem Auswahlkomitee vorsaß, sieht die Relevanz von Browns Arbeit nicht zuletzt in Bezug zur aktuellen britischen Wohnungskrise. Großbritannien müsse sich rückbesinnen auf die damaligen Ideale und die innovative Architektur, die in jener Zeit vor allem auch durch öffentliche Bauherren gefördert wurde. Brown war denn auch am Anfang keineswegs als freier Architekt tätig, sondern arbeitete direkt für den Bezirk. Seinem architektonischen Schaffen hat dies nicht geschadet, neben Alexandra Road stehen auch alle seine anderen in Großbritannien realisierten Projekte unter Schutz. Weitere Gebäude und städtebaulichen Planungen entstanden außerdem in Den Haag und Eindhoven. In der Lehre war er national und international ebenfalls lange tätig, so beispielsweise zusammen mit Jo Coenen an der damaligen Universität Karlsruhe (heute KIT).
Mit Blick auf seine größtenteils britische Karriere ist es umso überraschender, dass Brown tatsächlich in den USA geboren wurde und er dort auch seine Ausbildung begann, bis er später nach Europa und an die AA ging. Dass Architektur eigentlich nicht sein bevorzugtes Fach war, hat Brown inzwischen korrigiert. Mit Mitte Siebzig schloss er sein Büro und studierte Kunst, noch heute arbeitet er als Maler. Seinen eigenen architektonischen Werken ist er damit aber keineswegs untreu geworden: Vierzig Jahre lebte er in einem Haus in der Winscombe Street, heute wohnt er im Dunboyne Road Estate, das ebenfalls von ihm stammt. Überreicht wurde Brown die Medaille im Rahmen einer privaten Zeremonie am vergangenen Montag. (sb)
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www.neavebrown.com