Der US-amerikanische Architekt, Erfinder und Visionär Richard Buckminster Fuller (1895–1983) ist für das Publikationswesen vielleicht eine ähnliche Figur wie Le Corbusier. Sein rastloses Schaffen lässt sich aus einem immer neuen Blickwinkel aufarbeiten und veröffentlichen, denn es stößt auch knapp vier Dekaden nach seinem Tod auf großes Interesse. So auch bei diesem Buch von Daniel López-Pérez: Gerade erst seit letztem Winter verlegt, geht schon die zweite Auflage in Druck.
Doch der Erfolg von Publikationen über Buckminster Fuller liegt womöglich nicht nur daran, dass der Erdenker des Dymaxion-Systems mit seinen Ideen, Patenten und pädagogischen Anleitungen für sphärische Formen einfach eine herausragende Gestalt in der Architektur war, sondern dass seine vielseitige Arbeit geradezu das Anschauungsmaterial für eine Geisteshaltung in der US-amerikanischen Nachkriegszeit bietet, die vermutlich in das kalifornische Silicon Valley von heute geführt hat: ein Denken in Strukturen, die Überzeugung, dass Mensch und Natur in einem Netz der Beziehungen liegen. Mit R. Buckminster Fuller – Pattern Thinking legt der Architekt und Architekturhistoriker López-Pérez nun eine umfangreiche Materialsammlung zu Buckminster Fuller vor, aus deren 963 Illustrationen, abgedruckten Briefwechseln und Modellnachbildungen dieser strukturalistische Geist stets ablesbar ist.
In die vier Kapitel „Linien“, „Modelle“, „Worte“, und „Patente“ sortiert der Autor die teils historischen, teils eigens verfassten Illustrationen und stellt sich mit den dazugehörigen kurzen Essays selber vor die Aufgabe, der vielfachen Suche Buckminster Fullers nach zusammenhängenden Strukturen ebenfalls eine übergeordnete Struktur zu geben. Im Zentrum stehen dabei dessen geometrische Studien, die er als „fluide Geometrie“ oder auch „energetische Geometrie“ bezeichnete. Er erzeugte diese Grundkörper aus Linien, die gemeinsam variable, komplexe Systeme formen können, wie etwa die bekannten geodäsischen Kuppeln, die Buckminster Fuller in seinen Studentenprojekten aufbaute.
Buckminster Fuller zeigte sich auch für die Benennung seiner mathematischen Modelle erfinderisch. „Dymaxion“ etwa ist ein Neologismus aus „dynamic maximum tension“, und mit dem Namen „Jitterbug“ für eine geometrische Grundfigur bediente er sich eines Begriffs aus dem Swing-Tanz, um die Energie zwischen den Linien sprachlich zu erfassen. Worte, Zahlen, Linien – Pattern Thinking macht deutlich, wie im Denken Buckminster Fullers alle unsere kommunikativen und geistigen Werkzeuge zum Ausdruck eines allumfassenden Datengeflechts werden. Und in dieses bis ins Kosmische reichende Denken gibt Daniel López-Pérez mit seiner reichhaltigen Ansammlung an Quellen einen präzisen wie tiefen Einblick. Nicht zuletzt mit einem Zitat von 1963, das nebenbei Richard Buckminster Fullers ganz eigenen abstrakten Sprachstil verdeutlicht, für den er einige Bekanntheit erlangte: „Definierbare Denkmuster befassen sich nur mit lokalen Ereignisherden (...) aus den erfahrenen Mustern des Universums.“
Text: Sophie Jung
R. Buckiminster Fuller – Pattern Thinking
Daniel López-Pérez
Englisch
368 Seiten, 963 Illustrationen
Lars Müller Publishers, Zürich 2020
ISBN 978-3-03778-609-3
35 Euro