Probanden sein fürs Wohnen? Das ist derzeit möglich im Rahmen des Forschungsprojekts Vacancy – No Vacancy, das sich im 1:1-Maßstab mit neuen Wohnformen beschäftigt. Unter Leitung von ETH-Professorin Elli Mosayebi hat sich ein studentisches Team mit der Gestaltung von flexiblen Grundrissen für Single-Haushalte beschäftigt. Ein Mock-Up in Holzbauweise steht nun für ein Jahr auf dem Dach eines ETH-Gebäudes in Zürich und wird abwechselnd je eine Woche von verschiedenen Proband*innen bewohnt.
Mosayebi untersucht mit ihrer Idee eines „performativen Raums” die Anpassungsfähigkeit von Grundrissen an die pluralistischen Lebensentwürfe verschiedener Single-Haushalte. In Zürich werden etwa ein Drittel der Haushalte von Singles bewohnt – Studierende, Reisende, Alleinstehende und Rentner zählen die Architekt*innen auf – und die haben im Alltag unterschiedliche Bedürfnisse. Im prototypischen Mock-Up wird das maßgeblich über die Neuinterpretation struktureller Architekturelemente realisiert: Böden, Wände und Einbauten sind als bewegliche Bauteile gefertigt.
Insgesamt gibt es fünf Bauteile in dem 51 Quadratmeter großen Holztafelbau, die individuell veränderbar sind. Der Fokus liegt dabei auf einer zentral im Grundriss platzierten Wandscheibe, die um ihre eigene Achse drehbar ist, sowie zwei fassadenseitige Podeste, die über Klappflächen Nischen und Stauraum bieten. Durch die Beweglichkeit der Elemente kann der Raum verschieden konfiguriert werden, Möbel werden kaum gebraucht. Parzellierung oder Öffnung, Kurzsicht oder Weitsicht, Intimität oder Gesellschaft soll so je nach Bedarf möglich werden.
Sowohl für das Tragwerk als auch den Innenausbau wurden Massivholzplatten (CLT-Platten) verwendet, die im Inneren lediglich gestrichen wurden. Konstruktiv funktioniert der Prototyp laut Projekttext wie ein Kartenhaus. Die Holztafeln wurden übereinandergestapelt, die Horizontalaussteifung erfolgt über die Querstellung einzelner Scheiben.
Für Initiatorin Elli Mosayebi ist das Projekt ein Beitrag zur Forschung in der Praxis. So soll eine begleitende Studie klären, wie oft die beweglichen Bauteile tatsächlich genutzt werden. Drehwinkelsensoren in den beweglichen Bauteilen messen dazu die Bewegungshäufigkeit sowie die gewählten Winkel. Zudem soll geklärt werden, ob sich die Drehwände für einen Einsatz im Wohnungsbau eignen, bisher gelten bewegliche Bauteile als teuer und anfällig für Störungen. Verläuft die Forschung erfolgreich, könnten Drehwände, Klappeinbauten und variable Böden demnächst auch in der Zürcher Stampfenbachstraße verbaut werden, wo Edelaar Mosayebi Inderbitzin (Zürich) bis 2021 ein Haus mit 30 Wohnungen nach diesem Muster planen. (kg)
Fotos: Michael Stirnemann
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Wer eine Woche im Mock-Up wohnen möchte, kann sich über die Website des Forschungsprojekts bewerben.
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Mr. Riös | 29.07.2019 16:30 Uhr51qm
51qm für einen Single-Haushalt in Zürich ist nicht gerade repräsentativ.
Bei der Größe braucht man in einem 1-Personen-Haushalt auch keine beweglichen Wände, die unterschiedliche Grundrisskonfigurationen zulassen.
Intimität hat man ja quasi immer, ausser man lädt sich Gäste ein.