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08.02.2023

Buchtipp: Mies im Westen

Projekte und Spuren im Rheinland


Im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 wurden fast alle Aspekte der Institution noch einmal ausgiebig beleuchtet. Wer der Beschäftigung mit der Schule vorübergehend überdrüssig geworden war, konnte mit der in Aachen, Essen, Köln und Krefeld gezeigten Schau Mies im Westen aber anderweitig Inspiration finden. Nun ist drei Jahre später noch eine zugehörige Publikation erschienen. Diese wurde von Norbert Hanenberg, Daniel Lohmann, Ursula Kleefisch-Jobst und Peter Köddermann herausgegeben.

Zu entdecken ist eine Vielzahl eher unbekannter Projekte, die von Mies van der Rohe entworfen, gezeichnet oder beeinflusst wurden. Im Unterschied etwa zu den Häusern Lange und Esters wie auch zum Entwurf eines niederrheinischen Golfclubhauses, dem eine temporäre Installation 2013 zu einiger Bekanntheit verholfen hatte, dürfte das gleichfalls in Krefeld errichtete Haus Heusgen beispielsweise dem Gros der Architekt*innen und Kunsthistoriker*innen unbekannt sein. Ein Grund wird in der umstrittenen Urheberschaft liegen. Offiziell ein Werk der Architekten Willi Kaiser und Rudolf Wettstein, lässt neben den raumhohen Fenstern und dem flachen Dach vor allem der Grundriss des Villenbaus an andere Entwürfe Mies’ denken.

Seine Mitwirkung an Projekten wie der 1906 fertiggestellten und vor knapp sechzig Jahren abgebrochenen Filiale des Warenhauses Tietz in der Aachener Großkölnstraße ist demgegenüber zwar belegt, aber nicht ohne Weiteres zu erkennen: Hinter einer Fassade, die durch die „Formenwelt des Barocks und des Jugendstils inspiriert“ war, steht der Entwurf, an dem Mies achtzehnjährig als Angestellter des Architekten Albert Schneiders mitarbeitete, im deutlichsten Gegensatz zu späteren Schöpfungen wie dem Weltausstellungs-Pavillon in Barcelona oder dem New Yorker Seagram Building.

Dass das Verwaltungsgebäude an der Park Avenue wiederum entscheidenden Einfluss auf die Gestalt des Essener Rathauses hatte, verraten schon die Stahlträger, die die Gebäudehülle beider Türme gleichermaßen schmücken. Dabei wird im Katalogbeitrag betont, dass sich Mies – weit davon entfernt, das Werk des Architekten Theodor Seifert als Plagiat abzutun – ausdrücklich für den Entwurf des jungen Kollegen einsetzte. Obschon weder das Verwaltungs- und Ausstellungsgebäude für die Firma Krupp im Park der Essener Villa Hügel verwirklicht noch der Entwurf für einen Bürobau an der Aachener Viktoriallee umgesetzt wurde, prägte Mies die Architektur an Rhein und Ruhr somit nicht nur bis zu seinem Tod 1969, sondern auch darüber hinaus.

Dass der längst weltberühmte Architekt der Heimatregion dabei auch durch familiäre Beziehungen verbunden blieb, geht insbesondere aus einem der vier Essays hervor, die die Publikation versammelt: Daniel Lohmann und Maike Scholz stellen in ihrem Text den Steinmetz und Architekten Ewald Mies vor, der den Kontakt zu seinem jüngeren Bruder auch über den Atlantik hinweg pflegte. Mies, der als Wegbereiter eines Internationalen Stils gilt, hat mit seinen gläsernen Entwürfen Modelle geschaffen, die in aller Welt, ob es passte oder nicht, mannigfache Umsetzung fanden. Im deutlichsten Widerspruch zu einem solchen Universalismus zeigt das Buch somit auch, dass Mies, und sei es nur im Privaten, die Welt keineswegs unterschiedslos betrachtete: Zeit seines Lebens blieb das Rheinland von besonderer Bedeutung für ihn.

Text: Achim Reese

Mies im Westen. Projekte und Spuren im Rheinland

Norbert Hanenberg, Daniel Lohmann, Ursula Kleefisch-Jobst, Peter Köddermann
(Hg.)
Gestaltung: [synthese] – Björn Schötten

238 Seite
Geymüller, Aachen 2022
ISBN
978-3943164565
59 Euro


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