Sollte die Pandemie es zulassen und die Flugscham zu groß sein für eine Fernreise, so birgt Europa viele Fundgruben für neue Kultur, Stadtentwicklung und Architektur. Eine Inspirationsquelle für kurze, lange oder wiederkehrende Trips sind die Europäischen Kulturhauptstädte, die nach einer Zwangspause 2021 den einjährigen Wechselturnus hoffentlich wieder aufnehmen.
Esch-sur-Alzette in Luxemburg, Kaunas in Litauen und Novi Sad in Serbien dürfen 2022 das rege Kultur- und Präsentationsprogramm, auf das sie nun viele Jahre hingearbeitet haben, offiziell angehen. Esch und Kaunas folgen auf ihre größeren Schwestern Luxemburg-Stadt und Vilnius, die den Titel bereits tragen durften. Novi Sad hingegen repräsentiert Serbien zum ersten Mal. Gerade in osteuropäischen Ländern wirkt der Titel Kulturhauptstadt Europas als Trigger für Stadtentwicklung, Aufmerksamkeit und mitunter wirtschaftlichen Aufschwung.
In Novi Sad lohnt auch unabhängig vom Kulturjahr ein Blick auf die frisch herausgeputzte barocke Altstadt oder die neuesten Brücken, die die Donauufer verbinden und von der jüngeren Kriegsgeschichte zeugen. Die zweitgrößte litauische Stadt Kaunas gewann bereits internationale Aufmerksamkeit durch die gelungene Umgestaltung des Vienybės-Platzes. Und Esch versammelt unter anderem einige sehenswerte Projekte rund um das Konversionsareal Belval.
Ein Gewinn ist die 1985 von der griechischen Kulturministerin Melina Mercouri und ihrem französischen Kollegen Jacques Langins ins Leben gerufene Initiative meist nicht nur für die jeweiligen Orte selbst, sondern für die Region. Wie identitätsstiftend und langfristig impulsreich der Titel sein kann, zeigt sich nicht zuletzt beim deutschen Beitrag 2010 Essen für das Ruhrgebiet. Als nächste deutsche Stadt übernimmt Chemnitz 2025 und veranstaltet bereits jetzt einige „Mikroprojekten“.
Im BauNetz-Archiv finden sich einige Projekte aus Kulturhauptstädten Europas ohne zwangsläufigen Bezug zum Kulturtitel ihrer Heimat. Sollten Luxemburg, Serbien oder Litauen dieses Jahr nicht auf der Reiseroute liegen, lohnt mit Sicherheit ein Blick in die Liste ehemaliger und zukünftig gekürter Städte. (sab)
Titelbild: Blick über die Varadin-Brücke auf den Stadtteil Petrovaradin im serbischen Novi Sad, eine der Kulturhauptstädte Europas 2022. Foto von Nikola Rakic on Unsplash