Das Interim in München-Sendling von gmp steht kurz vor der Fertigstellung, als Nächstes folgt der Umzug aus dem Gasteig in Haidhausen. Dann ist der Weg frei für die Sanierung von Europas „größtem Kulturzentrum“, das Mitte der 1980er Jahre fertiggestellt wurde. Höchste Zeit also, einen Blick auf die aktualisierte Umbauplanung zu werfen, wie sie das zuständige Büro HENN Architekten kürzlich noch einmal versendet hat – garniert mit einigen neuen Visualisierungen. Nach dem Wettbewerbsgewinn 2018 mit anschließender Vergabe folgten mit einer Verfahrensklage und der Klärung urheberrechtlicher Fragen der Architekten des Bestands – Günter Grossmann, Gerd Lindemann, Carl F. Raue und Eike Rollenhagen – einige Verzögerungen. Doch seitdem alle Hindernisse aus dem Weg geräumt sind und sich der Münchner Stadtrat im vergangenen Winter trotz absehbarer finanzieller Corona-Einschränkungen generell für das Projekt entschieden hat, kann es vorangehen.
Nach Vorgaben der Stadträte ist das Budget für Sanierung und Umbau auf 450 Millionen Euro gedeckelt. Zudem sieht der Beschluss den Einstieg eines privaten Investors vor, der das Projekt zunächst finanziert. Auch beim ursprünglichen Bau des Gebäudes hatte man ein solches Modell genutzt. Für den Gasteig und das Projekt von HENN bedeutet der Beschluss zwar Einsparungen, er ermöglicht aber immerhin ein Festhalten an den wesentlichen konzeptionellen Eckpunkten des Projekts. Das sieht eine Fortschreibung der besonderen Nutzungsmischung von Hoch- und Alltagskultur, zwischen Konzertsaal, Bildungsort und Stadtbibliothek vor. Zentrales Element des Entwurfs ist eine mehrgeschossige gläserne Fuge zwischen Hauptvolumen und Seitenflügel, die als Erschließungstraße alle primären Programme des Gebäudes zusammenbringt. Diese „Kulturbühne“ – so die Bezeichnung der Architekt*innen – durchbricht zugleich die strenge Backsteinhülle und sorgt für mehr Präsenz des Innenlebens im Stadtraum.
Vier Hauptnutzungen teilen sich auch in Zukunft den Gasteig mit seinen rund 90.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche: Philharmonie, Volkshochschule, Stadtbibliothek und Musikhochschule. Hinzu kommt das Münchener Kammerorchester, das seine Heimatspielstätte im bestehenden Carl-Orff-Saal dauerhaft erhalten soll. Insbesondere der große Konzertsaal, der in Zusammenarbeit mit dem Akustiker Yasuhisa Toyota komplett überformt wird, dürfte mit seiner „Sternendecke“ zum neuen Aushängeschild des Komplexes werden. Aber auch das Prinzip einer offenen Bibliothek mit Buchreihen bis ins Foyer sollte sich nachhaltig auf die Nutzungserfahrung der Münchner Bürgerinnen und Bürger auswirken. Letzteres soll laut Gasteig-Direktor Max Wagner schon im Interimskomplex in Sendling ausprobiert werden. Über den Dächern von Haidhausen sind darüber hinaus noch ein Aussichtspunkt und ein Restaurant vorgesehen.
Nach einigem Hin- und Her beweist die Stadt mit der Umsetzung des HENN-Projekts in seinen wesentlichen Umrissen eine lobenswerte Haltung. Zwischenzeitlich war immer wieder befürchtet worden, dass am Ende nur eine Rumpfversion zustande kommt, mit der sich die räumlichen Probleme des Bestandsbaus nicht adressieren lassen. Offen bleibt jedoch, wie sich die Münchener Musiklandschaft als Ganzes entwickelt. Das geplante Konzerthaus im Werksviertel scheint derzeit jedenfalls einen schwierigen Stand zu haben, während es umgekehrt bereits Stimmen für eine Verstetigung des Sendlinger Gasteig-Interims gibt. Das hat nach einem Wettbewerb mit HP8 und Isarphilharmonie nun gleich zwei Namen, was sein langfristiges Identifikationspotenzial sicherlich erhöhen dürfte. (sb)
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STPH | 28.06.2021 18:13 UhrBild 7 Saal
Immer diese Rundarenen. Es reicht wenn Spieler und Zuhörer dialogisch ineinandergreifen, vielleicht noch asymmetrisch. Das Ganze aus einer Deckenbewegung entwickelt und einer Eckvertikalen hinter den Musikern.
Scharouns Philharmonie ist auch dialogisch mit dem Orchester lediglich als unterstem Rang der einen Seite.