Der 1939 in Genf geborene Architekt und Landschaftsarchitekt Georges Descombes erhält den Prix Meret Oppenheim 2021. Als „Architekt des Territoriums“ würdigt ihn die Jury des seit 2001 vergebenen Preises. Weitere Preisträgerinnen in diesem Jahr sind die Kuratorin Esther Eppstein und die Künstlerin Vivian Suter. Die drei Gewürdigten erhalten jeweils 40.000 Franken Preisgeld.
Descombes arbeitete zuerst in den Büros von Pier Luigi Nervi und Marc-Joseph Saugey. Sein eigenes Werk definierte er insbesondere als Landschaftsarchitekt, erste Projekte in den 1980er und 1990er Jahren sind der Parc de Lancy und der Genfer Abschnitt des Weges der Schweiz rund um den Genfersee. Bei der Parkanlage des Monument Bijlmer in Amsterdam, das nach dem tragischen Flugzeugabsturz 1994 errichtet wurde, entschied er sich für eine palimpsestartige Gestaltung, in der die Zerstörung eines Wohnblocks als Spur sichtbar bleibt. Die Landschaft wird so zum „Territorium“. Für Descombes war es entscheidend, „nicht in der Vergangenheit zu leben, sondern mit der Vergangenheit.“
Ab 2000 erarbeitete er Konzepte für den Stadtteil Lyon-Confluence, den Südhafen Antwerpens und den Quai des Matériaux in Brüssel. Außerdem setzte er sich für die Renaturierung der Flusslandschaft der Aire im Kanton Genf ein. Über dieses wichtige, 2015 fertiggestellte Projekt schreibt die Jury: „Wie ein Manifest der Landschaft und des entlarvenden Urbanismus führte dieses Projekt dazu, über die Natur in ihrer ganzen Gewalt und Künstlichkeit, in ihrer Souveränität und ihres herrschenden Charakters nachzudenken, und zugleich über das Verhältnis zum Menschen, der sowohl Verantwortlicher wie Opfer des Zeitalters des Anthropozäns ist.“
An der École d‘Architecture de Genève rief Descombes 1975 das Centre de Réalisation Expérimentale (CREX) ins Leben und begann dort seine akademische Karriere. Intensive Lehrtätigkeit betrieb er außerdem in den Vereinigten Staaten, unter anderem an der Harvard University, der Graduate School of Design in Cambridge und der University of Virginia in Charlottesville.
Über seine eigene Arbeit schreibt Descombes: „Nicht die Bäume sehen, sondern den Wind, den diese sichtbar werden lassen. Die Strömungen des Wassers mehr als die Ufer. Es ist eine Entscheidung, ein Risiko, eine Hypothese, die Möglichkeit einer Intervention, die sich in der Komplexität eines Ortes erahnen lässt, und dann folgt die Anpassung an die immer enger werdenden Zwänge. In der Konfrontation mit dem widerständigen Charakter der Dinge, der Welt, finden wir die Form.“
Der Prix Meret Oppenheim wird jährlich auf Empfehlung der Eidgenössischen Kunstkommission an Persönlichkeiten in den drei Bereichen Kunst, Architektur und Kunstvermittlung/Forschung/Kritik verliehen. Die Verleihung findet dieses Jahr, sofern es die Situation erlaubt, am 20. September 2021 in der Messe Basel, zeitgleich mit der Vergabe der Schweizer Kunstpreise statt. (stu)
Fotos: Karla Hiraldo Voleau, Douglas Mandry, Flavio Karrer