Hätte man die gestrigen Suchanfragen der Architekturszene gemessen, wären die beiden Städte Ahmedabad und Bangalore ebenso darunter wie der Name: Balkrishna Doshi. Wie am 7. März in Chicago verkündet wurde, erhält der 90-jährige Architekt den Pritzker Preis 2018. Er ist der 45. Preisträger der renommierten Auszeichnung und der erste Inder, dem diese Ehre zuteilwird.
Die Jury unter Vorsitz von Glenn Murcutt, der in diesem Jahr erstmals auch Sejima Kazuyo angehörte, begründete ihre Entscheidung unter anderem mit dem Worten: Balkrishna Doshi habe über viele Jahre eine seriöse, unauffällige Architektur geschaffen, die keinem Trend folgte. Mit großer Wertschätzung für die Traditionen der indischen Architektur vereinte er Vorfertigung und lokales Handwerk und entwickelte ein Vokabular in Harmonie mit der Geschichte und Kultur und den sich wandelnden Zeiten seiner Heimat Indien.
Bekannter als Doshi selbst sind zumindest hierzulande die Personen, von denen er beeinflusst wurde: Le Corbusier und Louis Khan. Zu den über hundert Werken Doshis zählen das indische Institut of Management in Bangalore (1977–92), das Institut für Indologie (1962), das Kamala Haus (1963) und die Wohnhäuser der Life Insurance Coporation in Ahmedabad (1973).
Die kritischen Stimmen zur aktuellen Relevanz des Pritzker-Preises mehren sich alljährlich in den Tagen vor seiner Verkündung – ebenso wie die Vorschläge für mögliche Kandidaten. Der Druck auf den Preis und seinen Auslober, die Hyatt Foundation, das Image der alten weißen Männer aus dem Westen loszuwerden, war in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Frauen seien ebenso unterrepräsentiert wie Architekten aus Erdteilen jenseits von Nord- und Südamerika, Asien oder Europa. Mit ihrer diesjährigen Entscheidung hat die Pritzkerpreisjury ihren Kritikern den Wind aus den Segeln genommen – und für viele im Westen wieder einmal einen bisher wenig bekannten Namen ins Blickfeld gerückt. (fm)
Zum Thema:
www.pritzkerprize.com
Mehr zum Thema Überraschungen bei der Preisvergabe in der Baunetzwoche #426 „Unknown Pritzkers“.
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claus | 12.03.2018 15:12 UhrAspirin gegen den Bedenkenkater
Man kann den Preis Doshi schon als Anachronismus sehen. Wobei man sich doch erinnern sollte, dass bei der Verleihung an Frei Otto vor drei Jahren der einhellige Ton in die Richtung das war aber auch wirklich überfällig ging. Was dem deutschen gebührt dem Inder noch lange nicht? Nein das wäre eine Unterstellung.
Wie auch bei Otto, sollte man meiner Ansicht nach diesen Preis nicht als staubige Würdigung des Lebenswerkes sehen, sondern als Wehmut nach einer vergangenen Sprechweise von Architektur, in der die Poesie noch ihre Räume hatte und Häuser zu greifen waren. Früher war alles besser? Nein, entschieden nicht. Es geht nicht darum, sich einem formalen Brutalismus-Trend zu ergeben und durch einen Figurencanon in die Postmoderne abzurutschen; sondern Raum, Licht, Farbe, Material und deren Fügung ernst zu nehmen und nicht in der Mediokratie der DIN-Architektur und Bedenkenträgern zu versauern.