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04.07.2022

Vollendet unvollendet

Postamt in Bahrain von Studio Anne Holtrop


Seltsame Apparaturen, feine Oberflächen und eine leicht klaustrophobische Abstraktion: Das zentrale Postamt in Bahrains Hauptstadt Manama wirkt, als hätten sich hier Wes Anderson und Thomas Demand zum Entwurf verabredet. Tatsächlich war für die Gestaltung des bereits 2019 eröffneten Hauses aber ein anderer großer Stilist verantwortlich: Anne Holtrop mit seinem vor Ort ansässigen Studio.

Das Bauwerk hat eine interessante Genese, auf der sein ganz eigener räumlicher Charakter beruht. Teile des heutigen Komplexes entstanden bereits 1937 als Zollhaus des Hafens von Manama. Dieses wurde später ergänzt und erhielt eine Betonfassade. Nun legten Holtrop und sein Team die historische Substanz wieder frei, nur um sie erneut zu überformen. Es ging ihnen also weniger um eine präzise denkmalschützerische Setzung, sondern um eine Amalgamierung unterschiedlicher Zeitschichten zu einem neuen Zustand. Die historische Dimension ist im ansonsten oft gläsern-modernen Manama natürlich trotzdem unübersehbar.

Dank größerer Landgewinnungsprojekte steht der Komplex längst nicht mehr am Rand des Hafens, sondern direkt im Zentrum der mit rund 160.000 Einwohner*innen überschaubaren Stadt. Die Architekt*innen ergänzten die beiden Bestandsvolumen um ein drittes Volumen aus hellem Beton. Dessen Mauern sind mit 80 Zentimetern ähnlich dick wie die der alten Bauten, seine Formensprache ist allerdings betont unregelmäßig. Auch sind die steinernen Oberflächen von Hand gestockt, was für eine schön weiche Wirkung sorgt.

Im Inneren des Postamtes setzt sich diese Unregelmäßigkeit in Form von Einschnitten und Durchblicken fort. Laut Architekt*innen findet der Komplex gerade in dieser formalen Unbestimmtheit seine Vollendung. Seine Geschichte im Sinne einer kontinuierlichen Abfolge von Modifikationen werde so nämlich unterstrichen.

Unabhängig von solcher Gedankenakrobatik zeugt die Umsetzung von einem großen Bewusstsein für Materialien und Qualität. Das macht das Postamt zu einem überzeugenden Beispiel einer hierzulande längst vom Aussterben bedrohten Baugattung. (sb)

Fotos: Maxime Delvaux, Anne Holtrop



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